Wednesday, June 01, 2005

Ein kleiner Reisetipp aus Georgien: der Botanische Garten in Batumi

von Tjards Wendebourg
(gefunden in der Newsgroup de.rec.garten am 03 Jun 2001)

Wer den Reiz subtropisch kolorierten Verfalls liebt, ist in Georgien an jedem Ort gut aufgehoben. 40 Jahre sozialistischer Vergangenheit und 10 Jahre die noch schlimmer waren, haben aus dem subtropischen Kaukasus ein Armenhaus und eine pittoreske Ruinenlandschaft gemacht. Der Reiz der Landschaft ist aber ungebrochen. Die Kultur des Landes außergewöhnlich (georgisch ist z.B. eine komplexe Sprache mit eigenem Alphabet) und eng mit der Geschichte Europas verbunden. Besonders Attraktiv ist die Gegend um Batumi, mit 400.000 Einwohnern eine der größten Städte Georgiens. Die Stadt liegt an der Mündung des Choroks ins Schwarze Meer und wird von steilen Hügelketten eingeschlossen, die in den Kleinen Kaukasus übergehen (mit Bergen über 3000m). Das milde Schwarzmeerklima und die hohen Niederschläge erlauben den Anbau von Citrusfrüchten, Feigen, Maulbeeren, Bambus etc.


Der Botanische Garten in Batumi


Der Botanische Garten erstreckt sich vom Meeresniveau bis auf die Hügel über der Steilküste, von wo sich teilweise ein großartiger Blick aus über 100 Meter Höhe auf das Schwarze Meer bzw. die Stadt bietet. Der 114 ha große Park wurde bereits 1912 gegründet und enthält eine Reihe von Gründerzeithäusern, die sich wie die Stadt in desolatem baulichen Zustand befinden. Nur den Bäumen ist die beklagenswerte finanzielle Situation von Land, Stadt und Garten nicht anzumerken: sie strotzen vor Leben und sind z.T. zu wahren Baumriesen herangewachsen.


Die dendrologische Sammlung umfaßt alleine 3270 Baumarten, die in acht geographisch gegliederten Bereichen aufgepflanzt sind (Ostasien, Himalaja, Mittelmeer, Mexiko, Nordamerika, Südamerika, Australien und Transkaukasus). Alleine die Gattung Eukalyptus, die in Georgien über weite Strecken als Wald- und Straßenbäume verbreitet ist, ist mit 60 Arten vertreten. Zumeist handelt es sich dabei um imposante Bäume, deren graulaubige Kronen im Park markante Akzente setzt. Von den 17 Palmenarten, die in Georgien gepflanzt werden, können 15 im Park besichtigt werden. Zahlreiche Bambusarten bilden dichte Haine, am beindruckensten sind große Flächen mit Phyllostachys pubescens (= P. edulis), mit bis zu 20 m hohen Halmen.

Auch im milden georgischen Winter bietet der Park botanische Besonderheiten. Neben vielen Frühjahrsblühern verdienen die Schneeglöckchen Erwähnung. Galanthus woronowii bedeckt weite Flächen des Parks. Auch Galanthus rizehensis, G. platyphyllus und G. krasnovii gehören zur natürlichen Parkflora.Eingebettet in die Arboretumsflächen finden sich Teeplantagen, Orangenhaine und kleine Gemüsegärten, die den Mitarbeitern (ca. 100) und den Bewohnern des Parks ihr Auskommen sichern. So werden den Besuchern nicht nur fremdländische Gehölze geboten, sondern auch kleine Einblicke in die georgische Subsistenzwirtschaft, die einem jederzeit auch in Form von mageren Kühen, halbwilden Schweinen oder Hühnern auf den Wegen und am Wegesrand begegenen kann. Quellen und Bäche schaffen an vielen Stellen besondere Lebensräume.

Der Botanische Garten verfügt über wissenschaftliche Einrichtungen und trotz der schlechten Entlohnung (z.T. bleibt der Lohn von umgerechnet 10 bis 60 DM monatlich von staatlicher Seite bis zu 20 Monate unbezahlt) auch noch über motiviertes Personal in drei Abteilungen, die sich sowohl mit Naturschutz und Florendiversität, als auch mit Selektion und Pflanzenschutz beschäftigen. Es fehlt aber an den einfachsten Dingen wie Schreibmaterial, Bestuhlung, Literatur etc. Die Verglasung von Gebäuden und Treibhäusern ist stark beschädigt, so daß die Räume im Winter nur bedingt genutzt werden können und wissenschaftliche Arbeit zuhause verrichtet wird. Der Botanische Garten braucht dringend Partnerschaften im westlichen Ausland, die finanzielle und materielle Unterstützung geben können. Angesichts der geringen Personalkosten, ließen sich bereits mit geringen finanziellen Mitteln Verbesserungen erzielen. Wer helfen oder den Botanischen Garten Batumi besuchen möchte, kann sich gerne an uns wenden. Wir vermitteln den Kontakt.

Tjards Wendebourg

Gartenpraxis 6/2002, www.gartenpraxis.de. Demnächst kann man den Beitrag
dort auch als farbiges pdf.runterladen.
Tjards Wendebourg ist mittlerweile Gartenberater für und Koordinator von
www.gartenbauen.info

Tjards Wendebourg
Verantwortlicher Redakteur GaLaBau/Dienstleistungsgartenbau
Redaktion DEGA-Deutscher Gartenbau/
Verlag Eugen Ulmer
Wollgrasweg 41
70599 Stuttgart
Tel.: 0049 711/45 07-218
Fax: 0049 711/45 07-207


No comments: