Saturday, September 17, 2005

VERLORENE GENERATIONEN!
Ein Blick auf Tschetschenien
und den Kaukasus - die Fotografin Heidi Bradner

Gebete in den Bergen- by Heidi Bradner
Ein kurzer Beitrag auf ARTE über eine internationale Fotoausstellung in Perpignan stellte die Fotojournalistin und Preisträgerin Heidi Bradner vor. Auffallend war, dass Sie eine sehr offene und warmherzige Person ist. Die Art wie sie spricht und ihre Gesichtszüge sind sehr ernst, aber dennoch entspannt. Sie wirkt konzentriert und sehr freundlich - darüber hinaus zeigt sie aber auch einen Kraft, die wohl aus einem tiefen Lebensgefühl herrührt. Sie hat strahlende Augen - und dann - diese bemerkenswerte Arbeit!

Was sie auszeichnet - vielleicht noch mehr als der Preis es würdigen kann - ist, dass sie eine Persönlichkeit ist, die vor allem bei sich selbst ist und mit einem langen Atem ihre Arbeit vorantreibt. Bradner fotografierte für namhafte Magazin: New York Magazin, Granta, GEO, Time, Newsweek, Stern u.a. doch ihre Bilder, dass macht sie so außergewöhnlich, sind keine journalistischen Bild-Reportagen - wie man bei uns in Deutschland es auch nur noch in den wenigsten Fällen antrifft. Da gibt es ein Regime von Bildredaktionen, an der nur noch solche, wie die Grand Dame unserer historischen Fotografie, eine Barrbara Klemm, vorbei kommt.

Bradners Fotos haben eine Handschrift - frieren entweder einen brutalen Moment ein, oder sie schaffen diesen Hauch von Wärme und Zwischenmenschlichkeit- um mal dieses beinahe vergessene Wort hier an passender Stelle einzusetzen. Das alles gelingt ihr durch einen ausgesprochen ästhetischen Zugang in Situationen, wo sie nicht nur Mut hat, sondern auch einen sicheren Umgang pflegt. Sie traut sich mehr und kann mehr, als viele ihrer Kollegen. Sie traut sich mit Gefühlen zu arbeiten - sie traut sich Engagement vorzubringen.

Flucht über den Inguri - by Heidi Bradner

Geboren ist Heide Bradner in Alaska. Das Leben im Eis und in Kälte und die Sehnsucht nach dem Sonnenstrahl wird wohl ihre Seele geformt haben. Ich glaube, sie hat ein warmes Herz. Und so konnte sie nach Sibirien und in den hohen Norden gehen und eisige Reportagen bei Nomaden und Eskimos fotografieren. Sie lebte im Kaukasus und besuchte immer wieder Asien. Sie wohnte die ganze Zeit der unvorstellbaren Härte beider Tschetschenien-Kriege bei. Jetzt erhält sie mit einem Preis in Süd-Frankreich auch eine Aufmerksamkeit, die dem Nord-Kaukasus schon längst gebührend zukommen müßte.

Ich stellte mir oft die Frage, wie sie über all die Jahre immer wieder solche Bilder in westliche Redaktionen und Dunkelkammern brachte; wie mühsam oft das Gewicht solcher Bilder war, Bilder die eine Materialität haben, die schwer sein können wie Titan, hart wie Granit und kalt wie Eis. Selbst wenn man diese Fotos im Internet sieht, stockt einem der Atem! Bradner und ihre Bilder geben einem unsichtbaren und vergessenen Krieg ein Antlitz - ein Gesicht des Alptraumes und Grauens. Wer wagt schon, sich dieser Ohnmacht auszusetzen. Dabei zeigte sie mindestens "beide Seiten" des "Konfliktes": junge Russen, die in den Krieg mussten, Tschetschenen, die kaum mehr etwas ertrugen. Und Heidi Bradner befand sich Jahre auf diesem Schlachtfeld! Dafür wurde sie in den letzten Tagen geehrt - auch im Fernsehen.

Heidi Bradner ist ein sehr offener Mensch. Das ermöglicht ihr, dass sich die Menschen ihr anvertrauen. Sie umgibt eine Aura, mit der sie weit vordringt - dorthin, wohin viele nie wagen zu gehen. Was schützt sie vor Gefahren? Ihr "Engelsgesicht"?

Heidi Bradner ist nicht nur ein Gefühlsmensch. Heidi Bradner denkt auch nach - zum Beispiel über die Rolle des Kaukasus für die russische Seele und Identität. Sie nähert sich einer anderen Kultur immer auch ästhetisch und intellektuell; sie weiß, dass sie andere Wurzeln hat, woanders herkommt. Das macht sie sensibel und "neugierig". Sie hütet sich vor Vorurteilen. Historisch war der Kaukasus immer eine Region, die Schriftsteller und Künstler zu ihren großen Werken inspirierte. Puschkin, Lermontow und Tolstoi schrieben inmitten der kargen Berge über den kaukasischen Menschenschlag, über den Stolz, über den Edelmut, über ihre Kraft und über ihre Schönheit. Wenn Bradner fotografierte, schaute sie immer noch durch dieses historische Prisma. Und eben das ist ihre intellektuelle Stärke, die sie von anderen unterscheidet. Als sie in Tschetschenien war, sah sie vor allem, dass man so darüber nicht mehr berichten kann. Sie schrieb nicht, aber sie fotografierte ein historisches Werk für unser "Jahrhundert" - dass eben gänzlich anti-romantisch ist!
(von Ralph Hälbig)

Homepage: Heidi Bradner photojournalist (mit Bildergallerien)

Links:
* Bildergalerie: Tschetschenien
*
Bilder von Alaska >>>
* Fotografien aus dem Kaukasus von Heidi Bradner (institut for war and peace reporting)
*
Bilder aus Aserbaidschan und Georgien
*
Interview by Solveig Gardner Servian with Heidi Bradner
*
Projekt: Land of The Second Sun: Arctic Nomads of Siberia's Yamal Peninsula
*
Feature: Chechnya

by Heidi Bradner

Heidi Bradner was born and raised in Alaska. As a student, she started freelance photographing and writing for the Juneau Empire, the Anchorage Daily News, and other Alaska publications while completing her history and journalism degrees at the University of Alaska Anchorage.After graduating, she began to photograph in Eastern Europe and the Soviet Union and started her professional photographic career based in Moscow from 1991-1997.She has been documenting the Caucasus and particularly Chechnya for many years. She is currently working on a project about indigineous peoples in Russia.

mailto: heidi@heidibradner.com
Web:
www.heidibradner.com

No comments: