Thursday, December 15, 2005

Pressespiegel
Berichterstattung zur Expedition von Kay Meister in der Thüringer Allgemeine
Jenaer Studenten erforschen den Kaukasus
Vor knapp zwei Jahren begleitete die Thüringer Allgemeine Studenten der Friedrich-Schiller-Universität auf eine botanische Expedition nach Spitzbergen. Zahlreiche wissenschaftliche Resultate und Aktivitäten im Nachfeld der Unternehmung waren das Ergebnis dieser Reise. So berichteten die Studenten auf zahlreichen Diavorträgen in Schulen, Museen und Universitätshörsälen von Dresden bis Nordhausen von ihren Erlebnissen. Auch eine Ausstellung vermittelt Wissenswertes zur Expedition.Hauptaugenmerk des wissenschaftlichen Interesses auf Spitzbergen waren damals die sogenannten "niederen" Pflanzen: Flechten und Moose. Sie besiedeln Lebensräume, welche für die anspruchsvolleren Blütenpflanzen kaum geeignete Existenzbedingungen mehr bieten. Diese Bereiche finden sich beispielsweise in der Tundra der Arktis, aber auch in den Hochgebirgsregionen der Welt. Zahlreiche einzigartiger Belege dieser Pflanzengruppen aber auch der widerstandsfähigen höheren Arktispflanzen konnten als Ergebnis der Spitzbergen-Expedition 2002 in den Bestand des Jenaer Herbariums eingegliedert werden und sind auf diese Weise für die Wissenschaft dokumentiert worden.Auch das Forschungsfeld der Hochgebirgsvegetation wird seit vielen Jahren an verschiedenen Instituten der biologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena bearbeitet, verbunden mit regelmäßig stattfindenden Studentenexkursionen in verschiedene Hochgebirgslandschaften Europas und der Demonstration der natürlichen Lebensräume dieser Regionen. So erkundeten die Studenten des Instituts für Spezielle Botanik beispielsweise in den vergangenen Jahren die rumänischen Karpaten sowie den Hochalpenraum. Für den Sommer 2004 bereitet das Institut für Spezielle Botanik mit Herbarium Haussknecht eine dreiwöchige Studentenexpedition in eine der unberührtesten Gebirgslandschaften des europäisch-asiatischen Raumes und gleichzeitig Zentrum der Biodiversität vor: den georgischen Kaukasus. Die geplante Exkursion soll die bislang vorwiegend auf Blütenpflanzen beschränkte Arbeit dieses Institutes in hervorragender Weise ergänzen. Sie bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die jungen Biologen an Pflanzengruppen, Moose und Flechten, heranzuführen, die an den meisten deutschen Hochschulen oft nur marginal behandelt werden. Aber im Rahmen nachhaltigen Umgangs mit der Naturausstattung aller Lebensräume der Erde kann auf fachlich versierte Biologen mit Artenkenntnis auch in Zukunft nicht verzichtet werden. Gerade der Kenntnis der Naturausstattung unterschiedlicher Lebensräume wird an vielen Universitäten Deutschlands zunehmend weniger Bedeutung beigemessen.Anknüpfungspunkte für eine solche Expedition finden sich zudem in einer langen Tradition partnerschaftlicher Beziehungen der Universitäten Jena und Tiflis, heute Hauptstadt Georgiens, sowie im umfangreichen wissenschaftlichen Pflanzenbelegmaterial aus dem europäisch-asiatischen Raum im Herbarium des Instituts, der größten Einrichtung dieser Art in Deutschland. Ein erklärtes Ziel der diesjährigen Expedition wird es deshalb auch sein, die Sammlung von Hochgebirgspflanzen, insbesondere der Flechten und Moose, weiter zu vervollständigen. Wichtigstes Anliegen der Reise stellt jedoch die Vermittlung eines umfangreichen Artenwissens des sensiblen Ökosystems Hochgebirge den teilnehmenden Studenten gegenüber dar. Auch 2004 sollen die wissenschaftlichen Ergebnisse der Expedition von Öffentlichkeitsaktivitäten der Studenten in Form einer eigenen Internet-Seite, eines von den teilnehmenden Studenten gestalteten Diavortrags sowie einer Ausstellung über den Kaukasus begleitet werden. Die Thüringer Allgemeine wird an dieser Stelle in loser Folge von den Vorbereitungen der Expedition, von ihrem Verlauf und den erzielten Ergebnissen berichten.
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 30. März 2004
Vorbereitungen für 5000 kaukasische Höhenmeter
Für die Teilnehmer der Kaukasus-Expedition 2004 begann mit dem Beginn des Sommersemesters an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die heiße Phase der Vorbereitungen. Wöchentlich kommen Sie zu einem Seminar zusammen. Der Zeitplan sowie die Expeditionsziele stehen nun fest. Drei Zielgebiete stehen im Zentrum der Unternehmung: Den größten Zeitraum wird die Erforschung der Kaukasus-Hauptkette beanspruchen. Es ist ein Aufstieg zum Kazbek-Massiv an der georgisch-russischen Grenze geplant. Dort findet sich eine einzigartige, unberührte Hochgebirgsvegetation. Die genaue Route wird aber erst im Sommer festgelegt, da sich erfahrungsgemäß durch unvorhergesehene Witterungsverhältnisse Änderungen ergeben können. In einem zweiten Teil sollen Untersuchungen im Kleinen Kaukasus, in devastierten Weidegebieten mit Trockenrasen sowie wald- und schluchtenreichen Regionen der Gebirgsstufe durchgeführt werden. Schließlich wird die Gruppe auch Tbilissi, der alten Hauptstadt Georgiens, einen Besuch abstatten und dort unter anderem die Universität mit den entsprechenden botanischen Einrichtungen wie dem Botanischen Garten, Herbarium, Laboratorien sowie das ethnographische Museum besichtigen. Die Expeditionsgruppe bemüht sich derzeit, die notwendige Ausrüstung zusammenzustellen. Dabei kann auf die Erfahrungen früherer Expeditionen in Hochgebirge zurückgegriffen werden. Es ist vorgesehen, sowohl im Großen als auch Kleinen Kaukasus täglich wechselnde Lager einzurichten. Die dafür benötigten Zelte müssen deshalb sowohl Hochgebirgstauglichkeit, also Stabilität und Unwetterbeständigkeit, besitzen, gleichzeitig aber ein möglichst geringes Tragegewicht aufweisen. In Georgien erwarten die Teilnehmer der Expedition unterschiedlichste Witterungsbedingungen. Tbilissi liegt auf 450 Metern über dem Meeresspiegel und ungefähr auf der geographischen Breite von Neapel. Hier können die Sommer heiß (bis 40°C) und schwül werden. Die Bergregionen kennzeichnet dagegen ein alpines Klima mit zum Teil stark schwankenden Temperaturen und hohen Niederschlagsmengen aus. Deshalb gehört extrem wetterfeste und warme Kleidung zur Grundausrüstung eines jeden Expeditionsteilnehmers. Die Gruppe wird bis in die Schneeregionen vordringen. Funktionsbekleidung, welche wind- und regendicht verarbeitet ist, wird im Hochgebirge unerlässlich sein. Sie ermöglicht auch eine Gewichtsreduktion des Gepäcks. Auch das Schuhwerk wird während der Expedition enormen Belastungen ausgesetzt. Die Gruppe wird sich auf unbefestigten Wegen und heißem Steppenboden der Ebene, dauerfeuchten Wiesen und Waldboden des Hügellandes sowie Felspartien und Geröllfeldern des Hochgebirges fortbewegen. Oberhalb der Baumgrenze werden dann auch Schneefelder hinzukommen. Zudem sind immer wieder kalte Gebirgsbäche zu überqueren.Selbstaufblasbare Isomatten, welche eine Isolationsschicht aus Luft erzeugen, schirmen die Bodenkälte ab. Schlafsäcke mit Daunenfeder- oder Synthetikfaser-Füllung und einem Komfortbereich bis in den Minusgrad-Bereich hinein halten für die Nacht warm. Die gesamten Nahrungsmittel für die Bergbesteigungen müssen auf dem Rücken mittransportiert werden. Wie die Erfahrungen vorangegangener Expeditionen lehren, werden sich die täglichen Mahlzeiten aus selbstgemischtem Müsli am Morgen, einer Zwischenmahlzeit aus Knäckebrot mit Fisch oder Fleisch sowie selbst hergestellten Energie-Riegeln mittags und am Abend einer größeren Mahlzeit mit dem Hauptbestandteil stärkehaltiger Nahrungsmittel (Gries, Reis, Kartoffelbrei u.a.) zusammensetzen. In einem 9-Liter-Topf, welcher schon so manche Exkursion Jenaer Botaniker begleitet hat, wird das Essen gekocht. Georgien bietet als Entstehungszentrum vieler Obstsorten den Vorteil, stets an vitaminreiche Zusatznahrung gelangen zu können. Einen der wohl wichtigsten Ausrüstungsbestandteile im Gepäck der Studenten wird jedoch sicherlich die Fotoausrüstung bilden, nicht zuletzt, da für den kommenden Herbst eine Dia-Reportage zur Expedition geplant ist. Zu diesem Zweck wird auch ein Expeditionstagebuch geführt. Am 26. Juli 2004 hebt der Flieger mit den Studenten und Wissenschaftlern aus Jena in Richtung Georgien ab, am 16. August wird die Expeditionsgruppe zurückkehren. Dann wird die oft anstrengende Vorbereitungszeit sich, so hoffen die Studenten, gelohnt haben. Die Thüringer Allgemeine steht durch Internet-Korrespondenz mit den Expeditionsteilnehmern in Kontakt und wird live aus Georgien berichten. Für die Ausrüstung im Kaukasus können die Teilnehmer auf Erfahrungen zurückgreifen, welche auf einer Expedition im Jahre 2000 in den rumänischen Karpaten gemacht wurden.
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 04. Mai 2004
Auf den Spuren Ernst Haeckels
Der Jenaer Biologe Ernst Haeckel (1834-1919) gilt als der wohl bedeutendste Verfechter und Verbreiter des darwinistischen Gedankengutes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und um die darauffolgende Jahrhundertwende in Deutschland. Haeckels Lebenswerk erhielt sein charakteristisches Gepräge durch den Kampf für eine Abstammungstheorie, welche nur naturwissenschaftliche Erkenntnisse anerkannte und den Menschen neben allen anderen Organismen einbezog. Zu naturwissenschaftliche Studien, aber auch zur Popularisierung seiner Idee des Lebens (Haeckel zeichnete beispielsweise als erster Stammbäume des Organismenreiches) bereiste er bis ins hohe Alter die unterschiedlichsten Gegenden der Erde. Dabei war Haeckel auch als Künstler unterwegs. Zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen des Darwinisten befinden sich im Besitz des Ernst-Haeckel-Hauses Jena, wo sein wissenschaftliches Erbe verwaltet wird. Hier werden auch die umfangreichen Reisenotizen des Forschers archiviert und im Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Medizin und Technik der FSU Jena unter der Leitung von Prof. Breidbach analysiert. Für das Jahr 1897 finden sich in Haeckels Notizbüchern hochinteressante Eintragungen: In diesem Jahr unternahm der Forscher das einzige Mal in seinem bewegten Leben eine Reise in das damals zaristische Russland. Anlass war ein internationaler Geologenkongress in St. Petersburg. Jedoch noch vor Ende des Kongresses reiste Haeckel wieder ab. Gemeinsam mit dem Hallenser Professor für Geologie Johannes Walter und dem aus Freiburg stammenden Georg Böhm, Professor für Geologie und Paläontologie, wollte Haeckel den Kaukasus überqueren und plante einen Besuch der georgischen Hauptstadt Tbilissi. Die Eisenbahn brachte die drei Forscher nach Waldikawkas, wo sie mit einem "Revolver und Munition, zum Schutz gegen die (immer noch zahlreichen) Räuber" ausgerüstet in einem "leichten viersitzigen Wagen, 4 Pferde nebeneinander gespannt" in vier Tagen abenteuerlicher Fahrt den wilden Kaukasus bezwangen und wohlbehalten in Tbilissi ankamen. Sie benutzen die große Heerstraße, einen alten Karawanenweg und gleichzeitig die kürzeste Verbindung zwischen dem Norden und dem Orient. An dieser Stelle laufen die Linien von Haeckels Georgienreise vor gut 100 Jahren und der Kaukasus-Expedition Jenaer Biologie-Studenten in diesem Sommer zusammen. Auf seinen Spuren werden die Teilnehmer auf der großen Heerstraße bis zum Kasbek-Pass vordringen. Natürlich sind die Transportbedingungen nicht mit denen zur Zeit Haeckels zu vergleichen, die 4 Pferde werden wohl gegen ein paar Dutzend Pferdestärken in einem alten LKW eingetauscht. Er bringt die Studenten in den traditionsreichen georgischen Ort Kasbek. Hier wo Haeckel einige der insgesamt sechs größeren Aquarelle und viele der kleineren Skizzen vom Kaukasus anfertigte, während die ihn begleitenden Geologen stets mit dem Hammer unterwegs waren, um Gesteinsproben zu nehmen, werden die Studenten den Aufstieg ins Hochgebirge wagen. Haeckels Bilder zeigen eindrucksvoll die kaukasische Landschaft, wie er sie vor gut 100 Jahren erlebte. Wechselvolle Zeiten hat die Region seitdem erlebt: einst georgisches Königreich, später unter russischer Sowjetherrschaft und nun als Republik Georgien. Haeckel reiste weiter Richtung Süden. In der Hauptstadt angekommen, besuchte er neben dem berühmten Botanischen Garten das Kaukasisches Museum. Dieses war vom Deutschen Gustav Radde gegründet worden. Aus der Einrichtung ging unter anderem das Georgische Staatsmuseum hervor, welches einen Höhepunkt des Besuches in der georgischen Hauptstadt auch für die Studenten 2004 bilden wird, ebenso wie eine Führung durch den noch heute existierenden Botanischen Garten. Haeckels Reise war das Ergebnis eines intensiven Briefwechsels zwischen Jena und Tbilissi und bildete gleichzeitig den Ausgangspunkt späterer Schreiben. Gleichzeitig bietet Haeckels Reise vor über 100 Jahren aber auch eiHaeckels Reise war das Ergebnis eines intensiven Briefwechsels zwischen Jena und Tbilissi und bildete gleichzeitig den Ausgangspunkt späterer Schreiben. Gleichzeitig bietet Haeckels Reise vor über 100 Jahren aber auch eine wesentliche Grundlage der Studenten-Expedition in diesem Jahr, und das nicht nur, weil die teilnehmenden Studenten alle in ihrem Studium in Jena auch einmal das Arbeitszimmer des Evolutionsforschers im Ernst-Haeckel-Museum besucht haben und in den Regalen vielleicht das große Naturwerk "Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern" von Gustav Radde aus Tbilissi entdeckten, welches dieser Haeckel als Dank für seinen Besuch nach Jena gesandt hatte. Die Expedition ist gleichzeitig ein Stück nachempfundene Wissenschaftsgeschichte.ne wesentliche Grundlage der Studenten-Expedition in diesem Jahr, und das nicht nur, weil die teilnehmenden Studenten alle in ihrem Studium in Jena auch einmal das Arbeitszimmer des Evolutionsforschers im Ernst-Haeckel-Museum besucht haben und in den Regalen vielleicht das große Naturwerk "Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern" von Gustav Radde aus Tbilissi entdeckten, welches dieser Haeckel als Dank für seinen Besuch nach Jena gesandt hatte. Die Expedition ist gleichzeitig ein Stück nachempfundene Wissenschaftsgeschichte.
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 25. Mai 2004
Reiseberichte von der Expedition
Von Kay Meister
Tbilissi - Die Hauptstadt Georgiens
Im Winter ist es in Tbilissi wesentlich kälter als in Deutschland. Das können wir uns gar nicht so richtig vorstellen, bewegen wir uns doch derzeit bei 30°C im Schatten durch die engen lassen der Hauptstadt Georgiens. Man erzählte uns dass öffentliche Gebäuden und Privatwohnungen in den Wintermonaten meist dennoch unbeheizt bleiben. Die Energiekrise Georgiens - die verbleibenden Wasserkraftwerke können den Strombedarf nicht decken - ist bis heute nicht überwunden. Wir wohnen in Privatwohnungen in abenteuerlichen Hochhäusern. So katastrophal diese von außen anzusehen sind, die Wohnungen sind äußerst liebevoll und geradezu herrschaftlich ausgestattet. Die Bewohner teilen Sie mit uns für die Dauer unseres Aufenthaltes in Tbilissi und versorgen uns mit exzellenter georgischer Küche.Der Verkehr auf den Hauptstrassen ist für extrem gewöhnungsbedürftig. So gibt es weder Fahrspuren noch Fußgängerüberwege. Die Fahrtrichtung zeigt der Fahrer unseres angesichts der Straßenverhältnisse noch erstaunlich funktionstüchtigen Kleinbusses durch hartnäckiges Hupen an. Der Namen der Stadt bedeutet soviel wie "Warme Stadt" und geht auf heiße Schwefelwasserquellen im Stadtgebiet zurück. Sie besitzen Temperaturen zwischen 24 und 38°C und sprudeln im iranisch anmutenden Bäderviertel. Gegen die Hitze im Sommer helfen sie also nur wenig. Ein angenehmes Klima werden wir im Botanischen Garten vorfinden. 1845 angelegt, war er mit seinen 130 Hektar Fläche, durchzogen von einem kleinen Flüsschen schon im späten Mittelalter ein königlicher Park.In Tbilissi leben ca. 1,5 Millionen Einwohner. Die Metropole erstreckt sich beiderseits des Flusses Mtkwari. Wie Schwalbennester kleben die Häuser Tbilissis Altstadt an den hohen grauen Felsen des linken Steilufers. Ein großer Teil der Altstadt steht unter Denkmalschutz. Von den kopfstein-bepflasterten Gassen aus bestaunten wir die ein- bis zwei-etagigen Wohnhäuser mit den kleinen Höfen, von Balkonen und Veranden eingefasst. Sie zeigen den Stil der in ganz Georgien typischen Landhäuser mit ihren Schnitzereien und Ziersäulchen. Die hier lebende Bevölkerung ist teilweise extrem arm und verdient im Monat umgerechnet zehn Euro, das sind 22 Lari. Hoch oben über der Stadt thront die alte Festung "Narikala". Genauer gesagt thronte sie über Jahrzehnte dort, denn ein Blitz traf 1827 das Pulvermagazin in den Kasematten und richtete eine verheerende Verwüstung an. Heute stehen nur noch die Ruinen der einst glanzvollen Burganlage. Für uns beeindruckend waren die zahlreichen Kathedralen der Stadt - Musterbeispiele georgischer Baukunst. Im ältesten Kultbau Tbilissis, der Antschisschati-Basilika erklang der weltberühmte traditionsreiche georgische Chorgesang. In der Neustadt geht es turbulenter zu. Bis zum 19. Jahrhundert herrschte ein chaotisches Durcheinander verschiedener Baustile, wie wir beim Gang durch die weitläufigen Strassen beobachten können. Danach hat man versucht, die Stadt dem russischen Klassizismus anzunähern und sie in eine Großstadt nach westeuropäischem Muster zu verwandeln. Dennoch wuchs Tbilissi weiter nach ganz eigenen Gesetzen. Die im Jahre 1969 errichtete U-Bahn bringt uns direkt zum Rustawelli-Prospekt, der Hauptstrasse Tbilissis. Neben Cafes und Restaurants finden sich an dieser wichtigsten Verkehrsader der Stadt auch das Staatliche Museum Georgiens, dem wir einen Besuch abstatten und wo ich zu meiner Freude zahlreiche Unterlagen über deutsche Naturforscher des ausgehenden 19. Jahrhunderts in den Archiven vorfinde. Die Ausstellung schöpft aus einer reichen Sammlung der Stein- und Bronzezeit sowie Kulturschätzen des Mittelalters. Nicht weit entfernt findet sich zu unserer Freude eine ganz andere "Sehenswürdigkeit" der Stadt: der Lagidse-Pavillion. Er wurde vor vielen Jahrzehnten von der Gebrüdern Lagidse gegründet, die hier aus Früchten hergestellte Sirups in verschiedenen Geschmacksrichtungen verkauften. Bis heute sind die Rezepte Familiengeheimnis. Die Strassen säumen unzählige kleine Verkaufsstände, an denen die Menschen praktisch alles, sogar ihr eigenes Hab und Gut, verkaufen, um zu überleben. Unser Blick fällt auf das ehemalige Luxushotel Iweria. Es erinnert uns an die zum Teil dramatischen Zustände hier in Georgien. Das Hotel ist zum Bersten mit Flüchtlingen aus Abchasien belegt, die aus der abtrünnigen Region aufgrund ethnischer Konflikte vertrieben wurden. Das Gegenbeispiel finden wir in der Kaschweti-Kirche am sogenannten Alexandergarten: Hier wurden die Gottesdienste unter einem Dach auf zwei Etagen in zwei Sprachen - Georgisch und Russisch - abgehalten. Und auch in der 1918 gegründeten staatlichen Universität, welche wir besuchen, hören Studenten aller georgischen Regionen gemeinsam Wirtschafts-, Medizin- oder naturwissenschaftliche Vorlesungen für ein in Zukunft hoffentlich friedliches Georgien.
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 05. August 2004
Der Nationalpark und der südliche Kaukasus
Verlässt man Tbilissi auf der Landstrasse Richtung Süden, beginnt schon bald die Strecke abenteuerlich zu werden. Die Strassen sind hier schlechte Feldwege, gepflastert mit knietiefen Löchern und belagert von Schweinen, Schafen und Rindern. Neben den Gebirgen ist ein Drittel der Fläche Georgiens mit Hügeln bedeckt. Der sogenannte kleine Kaukasus erreicht immerhin auch Höhen von über 3000 Metern. Die Landschaft prägt eine intensive Weidewirtschaft mit nomadenähnlichen Strukturen. Dies durften wir erleben, als wir von aserbaidschanischen Schäfern in ihre Jurte zum Schafmahl eingeladen wurden. Zubereitet wurde von einem Schaefer, der heute über 1000 Tiere sein Eigen nennt. Die Gastfreundlichkeit dieser nach unseren Verhältnissen sehr armen Bevölkerung Georgiens hat uns immer wieder auf unserer Reise beeindruckt. Die Vegetation des kleinen Kaukasus ist stark von der Weidewirtschaft geprägt. In den Dörfern findet man beispielsweise typische Pflanzenarten bäuerlicher Siedlungen, die es auch bei uns in Deutschland vor der Industrialisierung der Landwirtschaft vorkamen, heute jedoch extrem selten oder ausgestorben sind. Zwischen durch Erosion gerundeten Höhenzügen liegt in Zentralgeorgien der Borjomi-Nationalpark. Der Park wurde 1995 mit Hilfe des WWF und der Unterstützung durch die deutsche Botschaft in Georgien unter anderem auch mit deutschen Spendengeldern eingerichtet. Hier beeindrucken vor allem die Hochstauden-Pflanzengesellschaften, wie wir sie aus Mitteleuropa nicht kennen. Der Borjomi gilt als er erste Nationalpark der Kaukasusregion mit internationalen Standards und einer der größten Parks auf dem europäischen Kontinent. Er bietet zumindest für ein begrenztes Gebiet von 76 000 Quadratkilometern dem Ausverkauf des Landes Einhalt. Vor 1990 war der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der blühenden russischen Provinz Georgien. Aufgrund des Bürgerkrieges jedoch finden nur noch wenige Besucher den Weg in die atemberaubende Natur des Nationalparks. Georgien gilt als waldreiches Land. In den natürlichen Waldgebieten lebt unter anderem auch der Kaukasische Wolf, der nirgends sonst auf der Welt beheimatet ist. Aber auch die subalpinen und alpinen Wiesen im südlichen Kaukasus erwarteten uns zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten. Ein verschlungenes Pfadnetz führte zu Stellen mit atemberaubenden Aussichten. Immer wieder kamen wir an mittelalterlich wirkenden Dörfern mit lange Geschichte vorbei. In Gebieten mit Weidewirtschaft gibt es kaum noch Wälder. Hier heizen die Menschen mit getrockneten Kuhfladen, die sie im Sommer in ihren Gärten zum Trocknen auslegen. Ein Erlebnis sind die Basare, auf denen vor allem Obst und Gemüse angeboten werden. Georgien wird als ein Zentrum der Entstehung des Obstanbaus von der Wissenschaft angesehen. Überall treffen wir auf freundliche Menschen, die uns zu sich einladen. Unabhängig von der Tageszeit wird dabei als Willkommensgruss Wodka gereicht, was uns zugegebenermaßen etwas zu schaffen macht. Dr. Shamil Shetekauri jedoch, unser Führer während der Expedition und versierter Fachmann was die georgische Flora betrifft, vermittelte in manch komplizierter Situation. Die Georgier sind eines der ältesten Kulturvölker Europas. Unzählige Eroberungen fremder Kulturen in der Geschichte Georgiens haben ihre Spuren und verschiedene Volksgruppen hier zurückgelassen. Die Menschen leben von Handwerk und Ackerbau, wobei der Weinbau eine Besonderheit bietet. In den abwechslungsreichen Berg- und Hügelregionen gedeihen die mannigfaltigsten Rebsorten. Sie werden noch heute in Handarbeit und kaum mechanisiert zum berühmten georgischen Wein verarbeitet. Getrunken wir der Wein dann zu allen Gelegenheiten. Und in großen Mengen zum Schafmahl.
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 18. August 2004
Mitternachtsgewitter im Großen Kaukasus
Wie eine große Barriere wirkt er, der Kaukasus. Das Gebirge, an welches Zeus Prometheus schmieden lies, da er durch eine List dem Gottvater gegenüber den Menschen das Feuer gebracht hatte und gleichzeitig nördliche natürliche Grenze Georgiens. Der Große Kaukasus gilt als eine der vielfältigsten Regionen der Erde. Zwanzig Prozent des Gebirgsmassivs liegen höher als 2000 Meter über dem Meeresspiegel. Die vielgestaltige Landschaft verursacht ein sehr wechselhaftes Wetter. Hier haben wir zehn atemberaubende Tage verbracht. Diese gigantische Landschaft erscheint uns nach mehreren abenteuerlichen Wanderungen noch vieldeutiger und undurchschaubarer als zuvor. Unsere täglichen Expeditionen führten uns vorbei an gigantischen Felsmassiven, deren Gipfel auch im Hochsommer ihre Schneemütze nicht verlieren. Im Winter sind diese Bergregionen kalt und schneereich. Die physikalische Verwitterung (Nachtfröste sind auch im Sommer möglich, Quellen verraten Wasseradern im Gestein) fordert hier wie überall auf der Welt ihren Tribut, Frost und Wasser tragen die Berge allmählich ab. Jedoch wird dies noch viele hundert Jahrtausende andauern. Nichts desto trotz bekommen wir dieses Phänomen selbst zu spüren, immer gewahr von Steinschlag und Muren. Erleben konnten wir dieses Schauspiel bei einem Mitternachtsgewitter, das auf 2500 Höhenmetern über uns hereinbrach und die Zelte vor eine ziemliche Belastungsprobe stellte. Besucht haben wir den Kasbegi. Höchster Punkt Georgiens. Ein imposanter, vergletscherter Riese. Manche dieser Berge sind erloschene Vulkane, was man ihnen heute noch ansieht. Das gesamte Gebiet gilt als erdbebengefährdet. Trotzig liegen sie deshalb inmitten der Bergriesen, die kleinen Bergsiedlungen mit ihren altertümlichen Bauten. Am imposantesten wirken dabei die Wehrtürme. In keiner Gegend der Erde gibt es wohl so viele Sprachen und Kulturen wie im Kaukasus. Und auch die tief reichende Gastfreundschaft erscheint angesichts dieser rauen Landschaft außergewöhnlich. Die Kirchen in den größeren Siedlungen und vor allem die vereinzelten Klöster in ihrer Abgeschiedenheit bieten einen tiefen Blick in die Seele der Bergvölker. Neben den Dörfern weiden die Kühe der Dorfgemeinschaft. Weideland dominiert die Höhenzonen zwischen 1800 und 2000 Metern über dem Meeresspiegel. Hier und darüber erstrecken sich die ausgedehnten Rasen einer farbenprächtigen Hochgebirgsvegetation. Unter anderem dafür waren wir ja hierher gekommen. Unsere Mappen füllten sich zusehends. Abgekapselte Gebirgstäler mit ihren übereinanderliegenden Klimazonen und den abschottenden Bergen ermöglichten eine ungestörte Entwicklung einzigartiger Lebensgemeinschaften. Jedoch ist diese einmalige Vegetation des Kaukasus einer hohen Gefährdung ausgesetzt. Die schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung führen zu einem verstärkten Rückgriff auf die natürlichen Ressourcen. Dem Land fehlen schließlich die finanziellen Mittel für den Erhalt der weltweit einzigartigen Naturausstattung. Das Material – zahlreiche Pflanzenarten, die nur hier im Kaukasus vorkommen – wird den Bestand des Herbariums Haussknecht in Jena mit einigen außergewöhnlichen Exemplaren von Seltenheitswert weiter komplettieren. Unseren Wasservorrat aufzufüllen, bereitete indes keine großen Schwierigkeiten. Die unzähligen kleinen Bergflüsse führen ein klares Wasser. Sie retteten schon seit zwei Jahrtausenden vielen Menschen das Leben bei der Überquerung des Kaukasus. Heute bewegt sich der meiste Verkehr entlang der alten Heerstraße, die auch wir für unsere Anfahrt auf den Kaukasus nutzten. Sie trennt den Zentral- vom Ostkaukasus ab. Der alte Karawanenweg ist die kürzeste, aber nichts desto trotz immer noch beschwerliche Verbindung zwischen dem Norden und dem Orient. Ruinen alter Festungsmauern und Überreste von Palästen ehemaliger Herrscher Georgiens säumen den Weg. Auch wenn durch die Fertigstellung einer Eisenbahnverbindung Ende de 19. Jahrhunderts zum Verlust der wirtschaftlichen Bedeutung des Heerstraße führte, ermöglicht sie noch heute den kulturellen Austausch zwischen dem georgischen und dem russischen Volk.
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 16. September 2004

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