Saturday, July 21, 2007

WISSENSCHAFT:

Kann man diese Studie von Johannes Kiess mit den Regionen im Kaukasus vergleichen?

Buch: "Kultur und Vertrauen in der russischen Wirtschaft: Blat, Kryscha und kollektive Korruption, Dissertation, Universität St. Gallen, 2007"

Bei Interesse bitte ich Euch an mich zu wenden. Eine Zusammenfassung in deutscher und englischer Sprache folgt dieser Notiz.

Mit besten Grüssen,
Johannes Kiess
jkiess@yahoo.com

Zusammenfassung
Die postsowjetischen Institutionen Blat, Kryscha und kollektive Korruption zeigen, wie Kultur und unpersönliches Vertrauen die Entwicklung einer Wirtschaft und ihrer informellen Institutionen beeinflussen. Unpersönliches Vertrauen ist durch Kultur geprägt, denn es ist das Vertrauen in ein durchschnittliches Mitglied der Gesellschaft, und es wird durch die gemeinsamen Erfahrungen der Gesellschaft gebildet.
Eine evolutionäre analytische Narration, die eine dichte Beschreibung des kulturellen und sozialen Rahmens der russischen Wirtschaft mit spieltheoretischer Analyse verbindet, wird genutzt, um diesen Zusammenhang darzustellen. Eine spieltheoretische Interpretation unpersönlichen Vertrauens zeigt, dass dieses abhängig von den Anreizen zu Kooperation und vom Ursprungsniveau entweder zu einem mittleren Niveau konvergiert oder zu einem hohen oder tiefen Niveau divergiert. Diese Dynamik führt zu Pfadabhängigkeiten.
Bei Blat werden Transaktionen in einem Bekanntennetzwerk durchgeführt und nicht über den anonymen Markt. In der Sowjetzeit gewährte Blat über intertemporal ausgetauschte Gefallen Zugang zu knappen Gütern, verlor aber nach deren Zusammenbruch an Bedeutung. Bestehende
Beziehungen wurden aufrechterhalten, neue aber nicht begonnen.
Kooperation konnte über den postsowjetischen Markt nur bei hohem Misstrauen in Fremde durchgesetzt werden entgegen den Vorhersagen vieler Sozialkapitaltheorien. Hohes Misstrauen bedeutete, dass die Anzahl der kooperativen Transaktionen gering war.
Die Institution der Kryschi ersetzte Blat. Kryschi sind private Sicherheitsdienstleister, die Verträge durchsetzen. Zuerst schüchterten sie Geschäftsleute ein, um die Nachfrage nach ihrer
Dienstleistung zu steigern. Als der Markt für Sicherheit gesättigt war und kostspielige Konflikte zunahmen, errichteten sie Gewaltmonopole. Grosse Unternehmen mit komplexen Geschäftsbeziehungen bauten eigene Sicherheitsabteilungen auf. Kryschi mit Gewaltmonopol
schufen Sicherheit und besteuerten ihre Kunden vernünftig. Sinkendes Vertrauen ihrer Kunden untereinander erschwerte Kooperation, ihre Steuereinnahmen nahmen ab, und sie übernahmen die Geschäftstätigkeit ihrer Kunden.
Kollektive Korruption zeigt, warum der Staat der Rolle als rechtsdurchsetzende Partei nicht gerecht wurde. In der Jelzin-Zeit kaperte die Wirtschaft den Staat und in der Putin-Zeit begann der Staat, die Wirtschaft zu schröpfen. Bei kollektiver Korruption bestechen mehrere Personen den Staat, um eine gemeinsame Transaktion zu verbergen. Im dezentralen Staat der Jelzin-Zeit wurden unterschiedliche Verwaltungseinheiten bestochen. Das Vertrauen nahm zu und Korruption wurde zur Norm. Im zentralen Staat der Putin-Zeit wurde eine zentrale Verwaltung bestochen. Das Vertrauen unter den Transaktionspartnern sank auf ein mittleres Niveau. Der Staat gewann an Macht gegenüber der Wirtschaft.

Abstract
The post-soviet institutions of Blat, Kryshi, and collective corruption show how culture and impersonal trust influence the development of an economy and its informal institutions. Impersonal trust is shaped by culture because it is trust in an unknown, average member of a society, and because it is accumulated through the common experiences of a society as a whole.
An evolutionary analytic narrative is used to discuss this interaction. The narrative combines a thick description" of the cultural and social background of the Russian economy with a game-theory analysis. A game-theoretic interpretation of impersonal trust shows that it either converges to an intermediate level or diverges to a low or high level depending on its original level and on the incentives people have for cooperating. These dynamics cause path-
dependencies.
Blat is an institution in which people make transactions within a network of acquaintances and not through the anonymous market. During the Soviet era, Blat gave access to scarce goods via intertemporal exchanges of personal favors, but lost importance after the Soviet breakdown. Old exchange relationships remained intact, but new ones were not established. In the post-soviet market economy, cooperation was only possible through high distrust toward strangers contrary
to what standard social capital theories would predict. However, high distrust meant that the number of cooperative transactions was low.
A new institution, Kryshi, replaced Blat. At first, these private security organizations that enforce contracts, intimidated businesses, including their own customers, in order to increase
demand for their services. After the market for security services was saturated, resulting in an escalation in costly violent conflicts, the Kryshi established monopolies on force. Big enterprises with complex transaction relationships founded their own security departments. With their monopolies on force established, Kryshi taxed their customers reasonably and created an environment of security.
When decreasing trust between their customers deterred cooperation, lowering Kryshi's tax revenue, they took over their former customers' businesses.
The use of collective corruption to hide activity in the informal sector demonstrates why the Russian state was unable to fulfill the function of a third party that enforces contracts. Collective
corruption occurs when a group bribes the state to hide its transactions. In the Yeltsin era, firms captured the state; and in the Putin era, the state started to extort firms. In Yeltsin's decentralized state, different members of the group bribed different parts of a decentralized administration. Corruption increased and became the norm. In Putin's centralized state, the group as a whole bribes the central administration. Under such conditions, trust between the corrupted members of the group decreases towards an intermediate level, allowing the state to gain power over the economy.

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