Wednesday, June 18, 2008

JAZZ: Die neue CD von Stephan Micus - "Snow" - Der Kaukasus war die Inspiration

Die Anregungen zum neuen Album ergaben sich zu einem guten Teil aus einer längeren Studienreise nach Armenien und Berg-Karabach und in die Berge des Kaukasus. Micus durchstreifte die unwegsamen und extrem einsamen Gebiete teilweise per Jeep, teilweise auch auf ausgedehnten Touren zu Fuß. Er traf Menschen unterschiedlichster Milieus und lernte ihre Lebensumstände und ihre Musiktraditionen näher kennen.

Wie immer reiste er jedoch mit dem konkreten Ziel, neue instrumentale oder vokale Techniken bei traditionellen Meistern zu erlernen. Im Herbst 2006 hielt sich Micus zum zweiten Mal für längere Zeit in der armenischen Hauptstadt Eriwan auf, um intensiven Duduk-Unterricht zu nehmen. Das armenische Doppelrohrblattinstrument aus Aprikosenholz, dessen Existenz schon in vorchristlicher Zeit belegt ist und das heute auf der UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit steht, spielte schon auf dem Album "Towards The Wind" (ECM 1804; erschienen 2002) eine wichtige Rolle.

"Snow" (Ecm Record (Universal) 2008) stellt es nun quasi als Hauptakteur des musikalischen Geschehens in den Mittelpunkt und läßt es in bisher ungehörten Konstellationen mit Instrumenten aus Afrika, Asien, Süd- und Nordamerika und Europa auftreten, unter anderem in einem besonders ausdrucksvollen Duo mit der bayerischen Zither. Auch auf "Snow" setzt Micus die verwendeten Klangerzeuger aus aller Welt in unorthodoxen Kontexten ein, er verändert sie überdies aber auch technisch und benutzt modifizierte Weiterentwicklungen, die er bei Instrumentenbauern vor Ort bestellt hat. So wird etwa das traditionelle Bordun- und Begleitinstrument Bass-Duduk mit weit ausgreifenden Melodielinien betraut, und zugleich spielt Micus eine vergrößerte Version, deren Tonumfang tiefer reicht und die noch einen dunkleren Klang hervorbringt. "Ich habe immer die Neigung zu möglichst großen und tiefen Instrumenten, und jedes Mal, wenn ich irgendwo in der Welt eine dieser Sonderanfertigungen bestelle, zeigen die Meister in den Werkstätten ihre Skepsis. Doch meist folgt dieser Skepsis wachsende Begeisterung, sobald das neue Instrument klingt und seine erweiterten Möglichkeiten zu erkennen gibt", sagt Micus. [...]

"Ich empfinde eine starke Verbundenheit mit den Klängen dieser traditionsreichen Instrumente. Für mich stehen sie irgendwo an der Grenze zwischen Gegenstand und Lebewesen, zwischen Objekt und Person, und manchmal denke ich, daß sie tatsächlich zu den beseelten Wesen zählen. Man muß zu hören versuchen, was sie selbst erzählen wollen, daraus entsteht fast zwangsläufig eine Verbindung mit ihrer traditionellen Klangsprache. Dabei ist es mir sehr wichtig, daß ich keine bereits existierenden Melodien übernehme oder auch nur Fragmente davon, sondern eine ganz eigene Sprache entwickle."

Mitunter kommt es auch zu einer ganz bewußten Verfremdung des herkömmlichen Charakters der Instrumente. Auf "Snow" wird dies deutlich hörbar beim sehr freien Umgang mit der bayerischen Zither, die das große Duduk-Solo von "Midnight Sea" begleitet. Während sie auf dem Vorgängeralbum "On The Wing" komplett ausgespart war, spielt Micus' - mitunter zum mächtigen Chor vervielfachte - Gesangsstimme nun wieder eine zentrale Rolle. Viermal reiste der Musiker in den vergangenen zwölf Jahren nach Georgien, um dort die Kunst des traditionellen Chorgesangs zu erlernen. Zusammen mit zwei Lehrern erforschte er die polyphonen, meist dreistimmigen Gesänge des Landes zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer. Weitere Anregungen erhielt Micus bei einem Studienaufenthalt in Bulgarien, dessen berühmte Frauenchöre er seit langem bewundert. ....


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