Wednesday, August 27, 2008

PRESSESCHAU: Europas Reaktion & Russischer Schachzug (eurotopics)

Russlands Präsident Dmitri Medwedew hat die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien anerkannt. Schon gestern hatte sich das russische Parlament einstimmig für die Anerkennung der Souveränität der beiden Regionen ausgesprochen. Was bedeutet diese neue Wendung im Kaukasuskonflikt für Europa?

The Guardian - Großbritannien
Laut der Tageszeitung The Guardian könnte die Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens auch innenpolitische Folgen für Russland haben: "Unabhängig von dem Beispiel, das der Westen durch die Anerkennung des Kosovos gesetzt hat - die abtrünnigen georgischen Staaten trennt nur ein Bergzug von Russlands eigenen separatistischen Brennpunkten. ... Wenn Abchasien oder Südossetien Nationalstaaten sind, wieso gilt das nicht für Tschetschenien? ... Wichtiger als die Abstimmung des Parlaments ist Medwedews gestrige Bemerkung, dass das Abbrechen aller Beziehungen zur NATO kein großer Verlust für Russland wäre. ... Nur anhaltender internationaler Druck kann Russland zwingen, sich auf die Positionen vor dem 7. August zurückzuziehen, als georgische Truppen Südossetien attackierten. Der kann jetzt nur von Frankreich und Deutschland kommen, jenen Ländern, die sich dem US-amerikanischen Verlangen nach einer georgischen NATO-Mitgliedschaft widersetzten." (26.08.2008)
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Rzeczpospolita - Polen
Die Tageszeitung Rzeczposplita verurteilt die Abstimmung des russischen Parlaments als imperiale Geste. "Eine offizielle Abtrennung Abchasiens und Ossetiens wäre eine weitere Erniedrigung des [georgischen] Präsidenten Michail Saakaschwili, der ein entschiedener Befürworter der Unabhängigkeit Georgiens ist und den Moskau stürzen will, um an seine Stelle einen russlandabhängigen Politiker wie dessen Vorgänger Eduard Schewardnadse zu setzen. Dies ist auch ein weiterer Schritt zum Wiederaufbau des Imperiums und gleichzeitig eine Blockade der alternativen Brennstoffquellen für Europa, die vom Kaspischen Meer über Georgien in den Westen fließen. Trotz der aufmüpfigen Erklärungen Moskaus kann der Westen - darunter auch die EU - die russischen Pläne durchkreuzen. Vorausgesetzt jedoch, dass er sich aufrafft, also als Erstes überhaupt die Gefahr erkennt. Polen kann dabei eine bedeutende Rolle übernehmen, wenn die Außenpolitik der Staatsräson untergeordnet wird, und der Präsident und der Premier in der Lage sein werden, sich diesbezüglich zu einigen." (26.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Bronislaw Wildstein

Frankfurter Rundschau - Deutschland
Die Frankfurter Rundschau gibt auch dem Westen die Schuld für die Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens. "Abchasen und Südosseten haben sich längst von Georgien losgesagt und Regierungen gewählt. Aber die Grenzen Georgiens, aus dem beide Territorien nun herausoperiert werden, galten als verbindlich. Das abzusichern, hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei seinem jüngsten Trip unterlassen: Eine Klausel über die Integrität des georgischen Staats brachte er nicht mit. Das war ein Freibrief für Moskau, letzten Endes für die Annektion fremden Landes. Ein unerhörter Vorgang eigentlich. Wäre da nicht der Präzedenzfall Kosovo - man müsste Russland als singulär imperialistisch brandmarken." (26.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Karl Grobe

Gândul - Rumänien
Die Tageszeitung Gândul macht sich über die Zukunft der beiden abtrünnigen Provinzen Gedanken: "Das Votum beider russischer Parlamentskammern fiel wie zu UdSSR-Zeiten aus: absolute Einstimmigkeit - sowohl im Föderationsrat als auch in der Duma. Es ist schon ein sprechendes Zeichen, dass selbst die leblose russische Opposition der Meinung ist, dass die Anerkennung beider Republiken eine Bedeutung für die russische Föderation hat. Das Votum verpflichtet zu nichts, Premier Putin hat weiter freie Hand, wie er damit umzugehen gedenkt. Doch der Premier-Präsident Russlands hat damit alles, was er braucht: eine neue 'Währung', um mit dem Westen zu verhandeln und das 'Recht' von der russischen Legislative, Waffen und Soldaten in den separatistischen Provinzen zu stationieren. ... Es ist noch unklar, wie die Zukunft der beiden beschützten Regionen - dem Wirtschaftsreservat von Mütterchen Russland - aussehen wird. Derzeit lässt sich vermuten, dass es zum Paradies für Waffen und illegalen Handel wird, fernab der NATO. Besonders schlimm ist, dass dies alles im Nordkaukasus passiert, einer bedeutenden Gegend für die Energiesicherheit Europas." (26.08.2008)
» zum ganzen Artikel (externer Link, rumänisch)
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Alle verfügbaren Texte von » Eliza Francu

Respekt - Tschechien
Russland spaltet Mitteleuropa Die liberale Wochenzeitung Respekt registriert besorgt, dass sich Mittelosteuropa in der Russlandfrage zunehmend zerstreite. Während Polen das Vorgehen Russlands gegen Georgien scharf verurteilt, hätten sich andere, wie der slowakische Premier Robert Fico, auf die Seite Moskaus geschlagen. Die Versuchung Ficos, den Charakter seines Landes und dessen Außenpolitik zu verändern, dürfte noch größer werden. "In zwei Jahren dürfte in Ungarn mit Viktor Orbán ein ebensolcher Populist wie Fico die Wahlen gewinnen. Eine schlimmere slowakisch-ungarische Konstellation ist kaum vorstellbar. In dieser Zeit könnte in Tschechien Ficos Freund Jiří Paroubek (ein Gegner des US-Raketenschirms) regieren. Und Präsident wäre dann immer noch Václav Klaus (der ebenfalls Russlands Vorgehen gegen Georgien unterstützt). ... Die Russen brauchen nur geduldig warten, bis von allein eintritt, was sie schon in den 1990er Jahren versuchten: Die Spaltung Mitteleuropas." (26.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Martin M. Šimečka

Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien durch den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew hat sich der Konflikt im Kaukasus weiter verschärft. Wie soll die EU auf das russische Vorgehen reagieren?

El Mundo - Spanien
Die Tageszeitung El Mundo sieht nun die EU in der Pflicht, hart gegen Russland vorzugehen: "Falls es irgendeinen Zweifel über die Motivation Russlands gab, den Krieg mit Georgien zu führen, wurde er gestern ausgeräumt. Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien ... anerkannt. Es ist allen klar, dass diese Entscheidung schon beim Einrollen der russischen Panzer in dieses Land ... feststand. ... Europa und seine Verbündeten stehen in der Pflicht, die territoriale Integrität Georgiens zu verteidigen, eines demokratischen Nachbarns, dem man dringend das Tor zur NATO öffnen muss. Außerdem müssen die Führungskräfte der EU von Worten zu Taten übergehen und sehr viel härtere Maßnahmen ergreifen, solange Moskau nicht auf den Weg der Legalität zurückkehrt." (27.08.2008)
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die tageszeitung - Deutschland
Angesichts des russischen Konfrontationskurses fordert die tageszeitung von der EU, die Verhandlungen nicht abbrechen zu lassen. "Die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens als selbstständige Staaten durch Russlands Präsidenten macht eine Verhandlungslösung in Georgien noch schwieriger, stellt sie doch die vermittelnden Mächte, also die Mehrheit der EU-Staaten, vor vollendete Tatsachen. Immerhin hatte der Sechs-Punkte-Plan der EU Gespräche darüber vorgesehen, wie Sicherheit und Stabilität in Abchasien und Südossetien hergestellt werden könnten. Solche Verhandlungen können jetzt als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurückgewiesen werden. Auch eine durch den Weltsicherheitsrat zu beschließende Friedensmission der UNO liegt jetzt in weiter Ferne. [Aber] jetzt die Verhandlungen über die Georgienkrise einzustellen und auf eine allgemeine Konfrontationslinie zu Russland einzuschwenken, wäre ein fataler Fehler." (27.08.2008)
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Der Standard - Österreich
Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy hat für nächsten Montag ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU anberaumt, auf dem das Vorgehen in der Kaukasuskrise besprochen werden soll. Damit geht er auch ein Risiko ein, schreibt Der Standard: "Was aber wollen die Europäer der russischen Führung überhaupt beweisen? Sanktionen oder eine 'Eiszeit' werde es nicht geben, haben Bernard Kouchner und Angela Merkel, der französische Außenminister und die deutsche Kanzlerin, schon angekündigt. Zu wichtig ist Russland als Geschäftspartner. Die Gefahr ist dagegen groß, dass die 27 mit großem Pomp der Welt ihre Uneinigkeit und Entschlusslosigkeit zeigen. Es wäre ja nicht das erste Mal. ... Der EU-Sondergipfel zur Lage in Georgien kann zu einem moralischen Appell werden, einer gemeinsamen Besinnung auf den Wert der politischen Freiheit, einer Solidaritätsbekundung für ein Land, das Teil der 'Nachbarschaftspolitik' der Union ist." (26.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Markus Bernath

Le Figaro - Frankreich
In ihrem Leitartikel analysiert die Tageszeitung Le Figaro die Uneinigkeit der europäischen Staaten über den richtigen Umgang mit Russland: "Die einen erklären, es sei klüger, den russischen Bär zu beruhigen. Die anderen behaupten, dass er unbedingt in Schach gehalten werden muss. ... Die Stimme der ersten lässt sich vor allem im 'alten Europa' hören. Die zweiten befinden sich mehrheitlich in ... Großbritannien sowie in Polen und anderen Ländern Europas, die das sowjetische Joch erleiden mussten. ... Die Auseinandersetzung ist noch nicht abgehakt. Aber ohne Zweifel hat Europa ein russisches Problem. Der Moskauer Imperialismus ist sogar eine der wichtigsten Herausforderungen, der es Anfang dieses Jahrhunderts begegnen muss." (26.08.2008)
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NRC Handelsblad - Niederlande
Sicherheit Europas wichtiger Die niederländische Regierung will Serbien erst dann europäische Handelsvorteile bieten, wenn alle Kriegsverbrecher ausgeliefert sind. Das sei gerade mit Blick auf die Kaukasuskrise gefährlich, kommentiert die Tageszeitung NRC Handelsblad: "Eine der Lektionen aus dem Konflikt um Südossetien ist, dass ethnische Konflikte an der russisch-europäischen Grenze extrem gefährlich sind. Eine Situation, die einerseits Slowenien, Kroatien, Bosnien, Mazedonien und den Kosovo im europäischen Raum und andererseits Serbien als Vasallenstaat von Moskau beinhaltet, ist ein Rezept für Unheil. Solange die russisch-europäische Bruchlinie quer durch die serbische Wählerschaft verläuft und die pro-europäische Regierungskoalition in Belgrad unstabil ist, darf man keine Risiken eingehen. ... Die Niederlande müssen darüber nachdenken, ob die Auslieferung von zwei Kriegsverbrechern von höherem nationalen Interesse ist als die Sicherheit an der europäischen Ostgrenze." (27.08.2008)
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Kurier - Österreich
Bedrohtes Völkerrecht Laut dem Kurier wird durch die geopolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate, insbesondere der Kaukasuskrise und die Anerkennung des Kosovo, das Völkerrecht ausgehebelt. Das eigene Handeln werde von politischen Akteuren nach Belieben begründet. "Völkerrechtlern stehen im Georgien-Konflikt die Haare zu Berge: Es ist unfassbar, wie wenig Rechts-Argumente noch gelten. Widersprüche ohne Ende, wie EU und USA die Unabhängigkeit des Kosovo begründeten, was Moskau dagegen sagte - und wie beide Seiten nun über eine Abspaltung Südossetiens und Abchasiens von Georgien reden. Was im Kosovo gültig war, ist es in Georgien nicht mehr - und umgekehrt. ... Das ist das Erschütternde an der gegenwärtigen Krise in Europa: Es gelten keine politischen Grundsätze. Das eigene Handeln wird begründet, wie es gerade beliebt. ... Wenn sie schon nicht zu einer neuen Partnerschaft finden können, so tun EU und Russland gut daran, wenigstens zur Basis der 1990er-Jahre zurückzukehren: Änderungen der politischen Landkarte Europas nur im äußersten Fall - und nur auf friedlichem Weg. Die Art und Weise, wie Präsident Medwedew entgegen aller Warnungen die Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens anerkannte, lässt allerdings nichts Gutes für die Zukunft der Beziehungen EU-Russland erwarten." (26.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Otto Klambauer

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