Wednesday, May 27, 2009

STATEMENT: Possenspiel. Mit Folgen? Von Ralph Hälbig

Erstmal möchte ich meine Überraschung zum Ausdruck bringen, wie auf einmal 60.000 Demonstranten auf ihren Sitzen in einem Stadion Platz genommen haben, nachdem wochenlang der Rustaveli Avenue vor dem Parlament und dem Marriot Hotel von ein paar Dutzend Oppositionellen blockiert war, nachdem nach den ersten beiden Demos in der Innenstadt gerade mal ein paar Hundert übrig geblieben sind. Die Opposition hatte damals schon keinen Rückhalt, oder besser gesagt einen launigen Rückhalt.
Opposition war und ist wohl nur Unzufriedenheit. Das reicht aber nicht, um politisch sinnvoll zu aggieren. Da scheint es auch nachvollziehbar zu sein, dass schon nach Stunden ein paar Anhänger für eine Übernachtungspauschale auch die Nächte dort zubrachten, beinahe wie in einem Zeltlager.
Nur der Müll wurde nicht weggebracht, das Wasser der kleinen Fontänen sprudelte nicht erfrischend. Zunehmend verrohte die Prachtstraße von Tbilisi. Händler kehrten zurück auf die Mitte der Straße mit ihren Sonnenblumenkernen und anderen Kleinigkeiten und Snacks, Zigaretten wurden verkauft, man schlief auf Bänken, spielte Nardi und wartete wochenlang. Alles blieb ruhig und unruhig schaute man, was wohl passieren würde. Eine merkwürdige Psychologie.
Auch die Oppositionellen brachten die ganze Zeit nur ihren Frust zum Ausdruck, genauso wie die Taxifahrer sich über die Blockade ihres geschäftigen Verkehrs emotional beschwerten, indem sie das Lenkrad während der Fahrt entlang verstopfter Umleitungen wütend malträtierten.
Bei einer spontanen nächtlichen Zusammenkunft vor ein paar Tagen fragte ich ein paar offizielle Handlanger der Opposition neben der Redner-Bühne, dass ich mir nicht ganz klar darüber sei, dass andauernd nur darüber krakeelt wird, dass der ehemals heißgeliebte Mischa weg müsse. Auf meine Frage, wie es denn weitergehen solle, was denn die Ziele seien, was verändert werden müssen etc. wurde barsch geantwortet, dass das erst nach dem Sturz Saakashvilis zur Debatte stünde. Und wenn er nicht gehe, werde man andere Mittel benötigen ...
Der Hauptvorwurf gegen Saakashvili ist das Versagen im Krieg des letzten Sommers. Das ist gewisserweise schon nachzuvollziehen. Anderenorts sind Politiker und Präsidenten über ganz andere Begebenheiten gestürtzt, Kleinigkeiten demgegenüber. Aber das Kardinalversprechen "Sakartvelo" (das Wort für das königliche Georgien) - die patriotische Geste eines einheitlichen Georgiens - wurde auch heute wieder lautstark im Stadion gesungen von der Opposition ... nicht zu einem Fußballspiel, sondern zum Auftakt des nächtlichen Marsches in die Innenstadt.
Und das hat schon Mischa versprochen und ist daran gescheitert. So sind immer wieder neue Fahnenvorschläge langweilig. Überhaupt habe ich jede Menge Flaggen gesehen, Parteiflaggen und auch die abgehalfterten Fahnen aus der Zeit Shevardnadzes, flatterten wochenlang im Wind.
Der Patriotismus wird von allen Seiten bedient. Und der letzte Sommer hat gezeigt, dass man damit eben heutzutage nicht sehr weit kommt, so rührend das manchmal auch erscheint. Georgien lebt eben nicht mehr in der Zeit, dass es nützlich ist, dass die Fremden noch diese kaukasischen Krieger fürchteten und die kaukasischen Frauen die Allerschönsten der Welt waren.

Andererseits ist ein anderer zeitgemäßer Vorwurf gegen Saakashvili die Korruption. Kann sein! Ist sicher nicht auszuschließen auch in diesen Breitengraden. Das beginnt schon dann, wenn das Geschäftsgebaren auf Misstrauen beruht. Wenn es doppeltes Recht gibt. Doch wer soll denn eigentlich seinen Platz einnehmen? Ein Rädelsführer? Wo ist der gerechte und uneigennützige Vertreter zu sehen, wenn dieses Verhalten meistens als Führungsschwäche ausgelegt wird?


Der Burjanadze Clan genießt nun nicht gerade den seriösesten Ruf, was die Korruption betrifft. Führungsstark scheint er wohl zu sein. Alasania soll zu westlich sein, sagen manche (zumindest wirkt er sehr erzogen, ausgeglichen, besonnen und dipomatisch) ... die anden Oppositionellen sind oft zu kurzsichtig in ihrem Patriotismus, älter geworden mit dem Gefühl, nichts zu verlieren zu haben, andere sollen die Russen vertreten ...
Hin wie her, was diese Theorien, Behauptungen und Verschwörungen betrifft, ist jedenfalls für mich die Opposition genauso intransparent, wie die glasklaren Vorwürfe gegen den jetzigen Präsidenten. Es geht um Macht und wie sich das ganze danach gruppiert, mehr scheint es nicht zu sein. Zuweilen sind die Äußerungen und medialen Inszenierungen und Begleiterscheinungen mehr als blump - aber das ist ein weltweites Phänomen - und es funktioniert.
Politiker sind nun mal Interessenvertreter, abhängige und lausige manchmal noch dazu. Manchmal unterliegen sie einem enormen Druck, dann knabbert man schon einmal an seiner Krawatte. Doch wer sich dann sonst noch einmischt, ist eine interessante Frage, sollte mich aber nicht wirklich etwas angehen, denn ich liebe es ab und an, wenn für mich die Welt schön und beschaulich ist ... und ich mit Freunden zusammen sein kann und dabei andere, auch meine Gegner respektieren kann. Und das ist gut so, denn die Welt kann ja nicht die ganze Zeit von armen und überforderten Politikern und weltfremden Wirtschaftsbossen und Durchgeknallten geführt und bevölkert werden.
Aber um welche Interessen es sich bei dieser Posse handelt, ist mir gänzlich unklar. Und dass sich vor den Karren der zerstrittenen Opposition noch ein Sänger Georgiens spannen läßt, will mir erst recht nicht klar werden. Ist es Verzweiflung? Verzweiflung des Volkes Georgiens, welche sich auf die Prominenz projiziert. Unter diesem Gesichtspunkt könnte ich den Pathos auf dem Fußballfeld unter den Augen tausender Demonstraten verstehen.
Egal. Ich verstehe nur nur nicht, warum man grundsätzlich nicht fragt, worum es geht? Was Saakashvili vergeigt hat und warum ... und warum jetzt gerade solche merkwürdigen Oppositionellen wieder auftauchen, denen eigentlich auch kein Georgier mehr glaubt? Ist das alles eine unendliche Posse? Was soll das? Ich würde schon ganz gern mehr wissen wollen, doch das scheint wohl nicht möglich, oder? Auf jeden Fall, hoffe ich, das niemand durchdreht!! Ich habe viel Schönes an Georgien entdeckt ... ihre Mentalität oft erklärt und verteidigt!
Nun enttäuscht mich nicht, setzt euch an euren eigenen Tisch, haltet eine vernünftige Supra und kein Gelage mit Tollheiten ... und bringt euer Land voran! Und bitte: Oppositionelle Hysteriker gehören nicht an diese Tafel! Hört nicht zuviel auf die Russen, auf die Amerikaner, auf die Europäer und auf die Außerirdischen. Und wenn ihr Hilfe braucht, dann habt ihr sie auch verdient! Seit euch nicht zu fein, darum zu bitten. Schmeißt es nicht gleich wieder zum Fenster heraus. Bleibt gerecht! Auch in Zukunft! Und lasst euch nicht von den eigenen Landsleuten abzocken. Wenn es Ideen und Projekte gibt, dann kann man auch deutlich machen, wofür das Geld benötigt wird, ohne dass sich so ein Heinz alles in die Taschen steckt.
Und um auf den Anfang zurückzukommen, wie zum Teufel noch mal, waren auf einmal 60.000 Menschen nach vier Wochen Funkstille in einem Stadion? Kann mir das jemand erkären? Good bless you, Georgia!!

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