Wednesday, September 08, 2010

ARTIKEL: Deutschland will Georgien helfen. Ein Unruheherd am Kaukasus (european-circle.de)

Das Land südlich des Kaukasus war früher Teil der Sowjetunion, und sein Name ist mit einem der schlimmsten kommunistischen Diktatoren des 20. Jahrhunderts verbunden, denn der ist dort geboren: Josef Stalin. Georgien sucht nun die Nähe zur Europäischen Union. Das hat zur Jahresmitte 2010 der georgische Außenminister Grigol Waschadse bei einem offiziellen Besuch in Berlin mehr als deutlich gemacht. Und dieses Bestreben will die Bundesrepublik Deutschland nach besten Kräften unterstützen. So Bundesaußenminister Guido Westerwelle in den gemeinsamen Berliner Begegnungen. Er lobte "die bisherigen wirtschaftlichen und politischen Reformen der georgischen Regierung"; aber dann kam der diplomatisch verbrämte Haken: Westerwelle "ermunterte die Führung in Tiflis, in ihren Anstrengungen für mehr Demokratie und Rechtstaatlichkeit nicht nachzulassen".

Staatspräsident regiert mit Zwei-Drittel-Mehrheit

Das hat seine Gründe. Georgien nennt sich eine "Demokratische Republik", die allerdings von Staatspräsident Micheil Saakaschwili – er ist seit 2004 im Amt – mehr als straff geführt wird; er steht laut Verfassung an der Spitze der Exekutive. Bei den Wahlen von 2008 erhielt seine Partei "Vereinigte Nationalbewegung" 119 von 150 Parlamentssitzen: Eine Opposition ist nur marginal vorhanden. Insgesamt boykottiert ein Großteil der oppositionellen Abgeordneten derzeit die Arbeit des Parlaments – etliche hatten ihr Mandat gar nicht angenommen. Die demokratischen Strukturen Georgiens sind derzeit also wenig ausgeprägt.

Streit um zwei "abtrünnige" autonome Gebiete

Das innere Gefüge des Staates also, das nur nach außen stabil wirkt, wird zur Zeit zugleich erschüttert durch Auseinandersetzungen, die innen- wie außenpolitische Facetten haben. Angelpunkt sind die beiden autonomen Gebiete Südossetien und Abchasien. Sie sind seit dem Krieg zwischen Georgien und Russland vor zwei Jahren völlig außer Kontrolle der Regierung in Tiflis geraten. Dort sollen inzwischen die Russen Boden-Luft-Raketen vom Typ S-300 stationiert haben. Und Flüchtlinge aus der Region haben mit Demonstrationen vor der US-Botschaft in Tiflis gegen Übergriffe der georgischen Polizei und der Behörden geklagt. Anfang August 2010 kamen Hilferufe über das Internet.

Den Menschen aus diesen als "abtrünnig bezeichneten" Regionen wird nicht getraut; sie werden offenbar als Unruhestifter angesehen und entsprechend isoliert.

Georgien von Deutschland rasch anerkannt

Georgien hat sich mit der Unabhängigkeit am 9. April 1991 aus der damaligen Sowjetunion getrennt – diese löste sich selber erst am 25. Dezember 1991 auf. Seitdem arbeiten die Bundesrepublik Deutschland und Georgien eng zusammen, soweit es möglich ist. Deutschland war auch das erste Land, das Tiflis als einen unabhängigen Staat anerkannte. Logische Folge daraus ist, dass sich Berlin im Rahmen der Europäischen Union für eine Annäherung Georgiens und der gesamten Kaukasusregion an Europa einsetzt. Schließlich ist Deutschland wirtschaftlich der viertgrößte europäische Handelspartner und nach den USA der größte bilaterale Partner Georgiens in der Entwicklungszusammenarbeit.

Hoffnung auf "Östliche Partnerschaft"

So waren sich die beiden Außenminister Westerwelle und Waschadse bei ihrem jüngsten Treffen in Berlin darin einig, das Projekt der "Östlichen Partnerschaft" zu intensivieren. Hauptziel ist, die 27 EU-Mitgliedstaaten und die sechs Hauptstaaten der Kaukasus-Region politisch wie wirtschaftlich einander anzunähern. Diese "Östliche Partnerschaft" war am 7. Mai 2009 bei einem Gipfeltreffen in Prag begründet worden. Die Außenminister treffen sich jährlich, die Staats- und Regierungschefs alle zwei Jahre. Auf dem Gründungsgipfel vor zwei Jahren hatten auf Einladung der EU die Ukraine, die Republik Moldau, Weißrussland, Aserbaidschan, Armenien – und Georgien teilgenommen. Diese Länder profitieren bereits von dieser "Östlichen Partnerschaft" der EU: Bis zum Jahr 2013 sollen etwa 600 Millionen Euro Aufbau und Investitionshilfe in die Kaukasusregion fließen.

[KS]

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