Wednesday, August 15, 2012

POLITIK: Wahlkampf in Georgien. Milliardär fordert Saakaschwili heraus. Von Silvia Stöber. (tagesschau.de)

(tagesschau.de) Mehr als acht Jahre regierte Georgiens Präsident Saakaschwili unangefochten. Nun hat er einen mächtigen Herausforderer: Der Milliardär Iwanischwili peilt bei den anstehenden Wahlen den Sieg an. Doch der Regierungsapparat kämpft mit schmutzigen Tricks gegen den Herausforderer.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Miliardär Bidsina Iwanischwili (Foto: dpa) (Klick führt weiter zum nächsten Bild)
Miliardär Bidsina Iwanischwili auf einer Kundgebung gegen Präsident Saakaschwili im Juli (Foto: dpa)

Ein wenig müde wirkt Bidsina Iwanischwili. Gerade hat der Milliardär eine mehrstündige Sitzung mit den Mitgliedern seiner Mehrparteienbündnis "Georgischer Traum" hinter sich. Nach zehn Monaten in der Politik gesteht er ein: "Ich bin nicht gern Politiker. Es entspricht nicht meinem Charakter."

In den acht Jahren zuvor hatte er zurückgezogen mit seiner Familie im fernab gelegenen georgischen Dorf Djorvila gelebt. Sein Vermögen, das laut Forbes-Liste 6,4 Milliarden US-Dollar beträgt, hatte er einst in den wilden 1990er-Jahren in Russland gemacht. 650 Millionen Euro davon soll er in Georgien gespendet haben - für Infrastruktur, Kirchen, Kunst und auch für die georgischen Sicherheitskräfte. Doch nie ließ er sich in der Öffentlichkeit blicken, bis zum Oktober 2011, als er Präsident Michail Saakaschwili zu seinem politischen Gegner erklärte.

Reformerfolge und Defizite

Die Ablösung Saakaschwilis und seiner Partei "Vereinte Nationale Bewegung" von der Macht bei der Parlamentswahl am 1. Oktober und bei der Präsidentschaftswahl Anfang 2013 ist das erklärte Ziel Iwanischwilis. Er nehme die Strapazen des Politikerlebens auf sich, weil das Volk ein Recht auf funktionierende demokratische Institutionen habe. Die Menschen verdienten eine Regierung im Dienste des Volkes, nicht aber eine Führung, die Medien, Wirtschaft, Gesellschaft und die Justiz kontrolliere.

Tatsächlich hat die Regierung der einstigen Rosenrevolutionäre, die 2004 die Macht übernahm, zwar einige Reformerfolge vorzuweisen. Es gibt aber auch Defizite. Dem Sieg gegen die Alltagskorruption, der Verschlankung der Verwaltung, der Liberalisierung der Wirtschaft und der Erneuerung der Infrastruktur stehen erhebliche Probleme gegenüber. Die Regierungspartei bündelte die Macht in ihren Händen. Angehörige von Politikern haben entscheidenden Einfluss in vielen Wirtschaftsbereichen. Eine Reform des Justizsystems lässt auf sich warten. Vor allem ältere Menschen in den Städten und Dorfbewohner sind ohne Arbeit. Sie versuchen sich mit Kleinhandel, Taxifahren oder als Kleinbauern über Wasser zu halten.

Eine ernsthafte Konkurrenz für die Regierung

Der Milliardär Iwanischwili weckt Hoffnungen, aber auch Skepsis. Er verspricht ein Entwicklungsprogramm für die Landwirtschaft, Krankenversicherung für alle und höhere Renten. Wie genau er dies finanzieren will, ließ er bislang offen. Sicher ist so viel: Geld unter den Menschen zu verteilen, wie er es in den vergangenen Jahren tat, ist keine Strategie von Dauer. Erfolgreich war er darin, die zerstrittene Opposition in seinem Bündnis zu vereinen. Seine Koalition ist mit Büros im ganzen Land präsent. Eine Zeitung, ein Internet-Sender und eine Fernsehstation mit Reportern in allen Regionen finanziert Iwanischwili ebenso wie PR-Agenturen und Berater, die im westlichen Ausland gegen die Lobby-Arbeiter im Dienste der georgischen Regierung ankämpfen.

Iwanischwili gelang es so erstmals, eine ernsthafte Konkurrenz gegen die Regierungspartei aufzubauen. Diese versucht, den Milliardär mit einem neuen Parteienfinanzierungsgesetz einzuschränken. So ließ eine Kontrollbehörde Tausende Satellitenantennen der Firma GlobalTV, die mit Iwanischwili indirekt verbunden ist, beschlagnahmen. Zusätzlich wurde Iwanischwili mit einer Strafe in zweistelliger Millionenhöhe belegt und daraufhin zeitweilig seine Bank enteignet. Der Vorwurf: Die Firma habe die Satellitenantennen praktisch kostenlos in der Bevölkerung verteilt und damit Wählerbestechung betrieben.

Oppositionelle im Ausland bespitzelt

Außerdem ließ das Innenministerium kürzlich zwei Oppositionspolitiker in Zürich bei einem Treffen mit einem im Schweizer Exil lebenden georgischen Journalisten bespitzeln. Doch agierten die zwei Spione im Dienste der Regierung recht auffällig. Sie wurden festgenommen und nach drei Wochen nach Georgien abgeschoben, wie Schweizer Sicherheitsbehörden bestätigten.

Auch beklagen Oppositionelle und unabhängige Journalisten immer wieder, dass Verwandte von ihnen aus dem Staatsdienst entlassen werden. Das betreffe vor allem Lehrer. Giga Bokeria, Chef des Nationalen Sicherheitsrates, will dies nicht bestätigen. Er sagt, prinzipiell würden Staatsbedienstete nicht wegen ihrer politischen Einstellung entlassen, solange sie sich nicht während des Dienstes politisch betätigten.

Handgreiflichkeiten und Steinwürfe

Zugleich versichert der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, die Regierung unternehme alles, um Demonstrationen der Opposition friedlich verlaufen zu lassen. Vor allem bei kleineren Kundgebungen war es in den vergangenen Wochen zu Rangeleien und auch Steinwürfen gekommen. Iwanischwili selber und seine Mitstreiter wurden persönlich angegriffen, bevor es zu Handgreiflichkeiten kam. Angeblich waren die Angreifer Mitarbeiter staatlicher Institutionen und nicht einfache Demonstranten.

Der als besonnen geltende Oppositionspolitiker Irakli Alasania warnt gar vor größeren Auseinandersetzungen vor allem in der Region Samegrelo, die an das abtrünnige Gebiet Abchasien grenzt. Sein Vorwurf an die Regierung: Sie baue heimlich paramilitärische Gruppen auf, die Druck auf die Bevölkerung ausüben sollten. Bokeria weist auch dies zurück. Es seien lediglich Reservegruppen für die Armee gegründet worden.

Schon jetzt, zwei Monate vor der Parlamentswahl, ist die Stimmung aufgeheizt und das Land polarisiert. Die wichtigste Frage wird sein, ob beide Seiten das Wahlergebnis nach der Abstimmung über das Parlament so hinnehmen werden. In der 21-jährigen Geschichte des unabhängigen Georgiens gab es bislang keinen verfassungsgemäßen Machtwechsel durch Wahlen. Iwanischwili verspricht: "Was immer passiert, wir werden uns von Gewalt fernhalten. Wir werden darauf verzichten, zu demonstrieren und das Gesetz zu brechen." Zugleich aber gibt er sich sicher, dass die Parteien seines Bündnisses zwei Drittel der Parlamentssitze einnehmen werden und er im Oktober Premierminister wird. Die Erwartungen beider Seiten sind hoch.

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