Sunday, September 30, 2012

KOMMENTAR: Tschorwila im Prozess der Zivilisation. Über Gemeinsinn und Prospektive in Georgien. Von Dr. Frank Tremmel


(facebook.com) Der Wahlkampf in Georgien nähert sich seinem Ende, der Wahltag steht vor der Tür. Furcht und Hoffnung, Agonie und neuer Aufbruch prägten die Stimmungslage der letzten Wochen. Die Vertreter der Regierung präsentierten ihre sattsam bekannten Phrasen, die vor dem Hintergrund furchtbarer Bilder aus den georgischen Gefängnissen nur noch hohler wirkten.  Keimhaft zeigten sich aber auch die Ansätze einer neuen Perspektive. Das Alte und das Neue sind, wie immer in der Geschichte, bis zur Unkenntlichkeit ineinander verschlungen. Produktive, zukunftsweisende Verbindungen zeichnen sich erst konturhaft ab. Das galt und das gilt für beide großen politischen Gruppierungen, die sich zur Wahl stellen. Der Enthusiasmus, der in der Rosenrevolution 2003 die tieferen Aspirationen des georgischen Volkes mit einem neuen politischen Projekt verband, sucht erneut nach seinem Ausdruck. Die heute herrschenden Apologeten des Thermidors möchten uns weißmachen, dass sich Georgien fraglos in den modernen Zivilisationsprozess eingegliedert hat und die gegenwärtige Krise nur ein vorübergehendes Adaptionsproblem sei. Die Opposition dagegen artikuliert vorerst vor allem die fundamentale Entfremdung großer Teile der Bevölkerung, die nach neuen politischen Wegen sucht. Im Regierungslager zeichnen sich erste Zersetzungserscheinungen ab, aber auch die Opposition ist bislang noch zu heterogen in ihren Zielsetzungen, um eine neue Prospektive zu begründen. Mit zwei grundlegenden Tendenzen ist aber in Zukunft sicher zu rechnen: Zum einen hat sich das Projekt der Regierung erschöpft und zum anderen findet der Promotor der neuen Opposition in immer höherem Maße seinen eigenen Stil und seine eigene Sprache. Bislang ist es nur ein Name, der aber bereits in den großen Metropolen Westeuropas und der USA genannt wird, Bidsina Iwanischwili. Mehr und mehr verbindet er sich nun mit den vitalen Triebkräften des georgischen Volkes, wie sie sich am 29. September auf dem Freiheitsplatz in hundertausendfacher Gemeinsamkeit manifestiert haben. Es dieser Gemeinsinn der Georgier, der sein Projekt für das 21. Jahrhundert sucht und darauf hofft, dass Bidsina Iwanischwili es zu artikulieren weiß. Es ist vielleicht kein Zufall, dass ein Mann der Wirtschaft, ein hervorragender Organisator und Selfmademan, diese Prospektive formulieren muss. „Die Wirtschaft ist unser Schicksal“, dieser oftmals missverstanden Satz des deutschen Industriellen, Politikers und Philosophen Walther Rathenau, gilt mehr denn je. Georgien wird sich allerdings nur dann in den modernen Zivilisationsprozess eingliedern, wenn es dieses Schicksal aus seinen eigenen Traditionen heraus anzunehmen und zu gestalten vermag.

Der britische Historiker Arnold Toynbee hatte  1949 in seinem Buch „Kultur am Scheideweg“ auf die „aufsehenerregende Ungleichheit zwischen den menschlichen Errungenschaften auf dem außermenschlichen und denen auf dem seelischen Gebiet“ hingewiesen und für die Wohlfahrt des Menschen die Bedeutung der psychischen Dimension der zivilisatorischen vorangestellt. Mit dieser Diagnose des modernen Zivilisations- und Wirtschaftslebens stand er nicht alleine. Auch georgische Psychologen und Philosophen haben sich dieser Fragen immer wieder angenommen. Dmitri Uznadze (1886-1950) hat sein ganzes Lebenswerk der engen Verbindung von pädagogischer und psychologischer Anthropologie gewidmet, um so im Rahmen der nationalen Kulturpolitik Georgien einen authentischen und eigenständigen  Platz in der modernen Zivilisationsentwicklung zu verschaffen. Es ist umso erstaunlicher, mit welcher Ignoranz ein Teil der georgischen Intellektuellen und Meinungsführer diese geistige Ressource  behandelt. Neben vielen anderen Faktoren ist dafür vor allem die einseitig literarische und ästhetische Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie sie in der georgischen Intelligentsija immer noch gepflegt wird, verantwortlich. Diese Wissensform dient einer verfehlten Distinktion, die den Zugang zur geistigen Elite auf unzeitgemäße Weise reguliert. Das ist nicht der „Denkstil der modernen Arbeitsgesellschaft“ (Helmuth Plessner), derer die georgische Gesellschaft so dringend bedarf. Die Entwicklung und Humanisierung der modernen Gesellschaft kann nicht durch intellektuellen Snobismus, esoterisches Literatentum und bildungsbürgerliche Arroganz zustande kommen. Eine solche provinzielle Haltung befördert den Zynismus der gegenwärtig herrschenden Kreise.  Es handelt sich um eine Mentalität, die nicht nur in Georgien einen substantiellen Beitrag der humanistischen Bildungskultur zur modernen Zivilisationsentwicklung verhindert. Bidsina Iwanischwili hat vor etwas weniger als einem  Jahr in einem Fernsehinterview eine objektive Ethik angemahnt, die sich weniger auf ein Sollen als vielmehr auf ein Können bezieht. Ansätze dazu finden wir bereits bei Aristoteles, bei Spinoza, bei  den französischen Moralisten, bei Nietzsche und eben auch bei Freud, den Iwanischwili besonders hervorhob. Als Unternehmer  bevorzugt er eine Perspektive, die vor allem auf Fähigkeiten und nicht allein auf gute Vorsätze schaut. Dass eine solche Perspektive im Übergang von einer betriebswirtschaftlichen Auswahl von Menschen zu caritativen Projekten und erst recht im Übergang zu einem politischen Projekt erweitert werden muss und neue Fragen aufwirft, hat er mehrfach durchaus selbstkritisch betont. Eine „produktive Orientierung“ (Erich Fromm) folgt im Bereich der Kultur und der Politik nicht der gleichen Logik wie in der Sphäre marktkonformer Bedarfsdeckung.  Dennoch bleibt Iwanischwilis grundsätzliche Perspektive völlig richtig und der arrogante Dünkel, mit dem diese Aussagen teilweise in der georgischen Öffentlichkeit bedacht wurden, unangebracht. Für eine Kulturpolitik, die Georgiens authentische Kraftquellen in den Zivilisationsprozess einspeisen will, ist die Erarbeitung einer anthropologischen Grundlage erforderlich, die diese Gedanken aufnimmt.

Bidsina Iwanischwili hat in dem Interview auf die Eigenliebe als gleichsam natürliches Fundament der Ethik  verwiesen. Die Lust das Gute zu tun, der moralische Instinkt, wird in den allermeisten Morallehren, auch in der von Kant, als scheinbar heteronomes Moment  für ethisch irrelevant erklärt. „Gern dien ich den Freunden, doch tu ich es leider mit Neigung, und so wurmt es mich oft, dass ich nicht tugendhaft bin.“ So hatte Schiller diese Auffassung Kants ironisch kommentiert. Die Einheit von Natur und Geist im authentischen Ausdruck, die der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber in den Mittelpunkt seiner Anthropologie stellte, bleibt methodologisch und politisch die Aufgabe unserer Epoche. Sie kulminiert in der Aufgabe, unser Urteilsvermögen, nach Hannah Arendt die Basis des Politischen, zu entwickeln. Das geschieht nicht, indem wir den Eigennutz des jeweils anderen beklagen. Unser Urteilsvermögen muss sich vielmehr als Wahrnehmung des leiblichen Ausdrucks in der Zeit und im Raum ausbilden. In diesem kommunikativen Prozess bestätigen wir uns gegenseitig unsere personale Integrität. Wir bilden dabei in einem kulturellen Raum historisch und biographisch ein System der Maßverhältnisse zueinander aus, das Iwanischwili am Beispiel der Grenzziehungen in den georgischen Dörfern beschreibt. Diese unbewusste Taxonomie von Nähe und Distanz ist die Grundlage jeder Gemeinschaft. Sie liegt der sozialen Ökologie der Kommunikationsverhältnisse zugrunde. Insofern ist Tschorwila, das Heimatdorf Bidsina Iwanischwilis, der prototypische Ausdruck eines anthropologische Mikrokosmos, den es politisch mit einer globalgeschichtlichen Prospektive zu verbinden gilt. Dieses Wissen, das in unsere Alltagserfahrungen eingebettet ist, wird im Deutschen als „gesunder Menschenverstand“ bezeichnet. Dieses „implizite Wissen“ (Michael Polanyi), diese vorbegriffliche Einsicht in bestimmte elementare Zusammenhänge enthält zweifellos ein konservatives Moment, das sich von den Spezialkenntnissen der Fachwissenschaften und der kritischen Verstandestätigkeit durch eine gewisse natürliche Selbstverständlichkeit unterscheidet. Das Urteilsvermögen, das uns diesen Bereich erschließt, ist der „Sensus Communis“.  Dieser Wissensbereich zeichnet sich als herrschende gesellschaftliche Ansicht durch eine starke Allgemeinheit und einen bestimmten Schematismus der Wahrnehmungen aus.  Er kann als solcher die sich wandelnde, vielfältige und reiche Wirklichkeit immer nur partiell erfassen.  Dieses Vermögen lässt sich andererseits aber auch als unerschöpfliches praktisches Wissen beschreiben. Schematismus und Komplexität sind im Sensus Communis auf eine sehr vielschichtige Weise miteinander verknüpft.

Der deutsche Psychiater Wolfgang Blankenburg (1928-2002) hat am Beispiel der „symptomarmen Schizophrenien“ den pathologischen Zusammenbruch der Verknüpfungsregel beschrieben, die diese natürlichen Selbstverständlichkeit verbürgt. In den Krankengeschichten, die er dabei ausgewertet hat, wurde immer wieder ein furchtbarer Zustand beschrieben, der darin bestand, dass das Selbstverständliche befremdete, dass eine elementare Regel oder Grundlage fehlte, die eine bestimmte Identität der Person garantierte. Das sind keine depressiven Verstimmungen, keine Entfremdungszustände, die ja immerhin etwas Eigenes voraussetzen, von dem wir uns entfremden können. Es fehlt vielmehr der bereits von Aristoteles beschriebene gemeinsame Sinn der fünf Sinne, die elementare Grundvoraussetzung menschlicher Personalität. Ohne diese Fragen hier ausführlich erörtern zu können, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Synästhesie unserer sensomotorischen Abläufe heute eine  kultur- und kommunikationspolitische Aufgabe ersten Ranges ist. Die beschriebene Selbstverständlichkeit setzt eine  sinnvolle Vereinheitlichung der verschiedenen Sinnesempfindungen im einzelnen Menschen, ein synthetisches ganzheitliches Wahrnehmungsvermögen voraus. Deutsche Psychologen und Philosophen wie Victor von Weizsäcker, Helmuth Plessner und Ernst Cassirer haben diese Vorgänge immer wieder beschrieben und analysiert. Sie liegen auch unseren Kommunikationsprozessen zugrunde. Die vertrauensbildende und Identität vermittelnde Synästhesie der Wahrnehmungsvorgänge stellt sich heute aber nicht mehr gleichsam naturwüchsig her. Der „Atemraum der großen Treue“ (Martin Buber), diese dialogische Sphäre, in der sich das authentische Sein als Einheit von Natur und Kultur konstituiert, setzt eine Gemeinschaft bzw. einen Ort voraus, der heute nicht mehr allein genealogisch als Familie oder Ethnos vorausgesetzt werden kann, sondern der sich unserer politischen Tätigkeit verdankt. Es ist insofern kein Zufall, dass der Grundbestand an politischer Philosophie bereits in der Antike, d.h. im Übergang von den alten Gentes zur Polis, entstand. Im Auseinandertreten von Gemeinschaft und Gesellschaft, die seither unsere modernen Sozialverhältnisse in noch viel höherem Maße kennzeichnet, ist die Arbeit am Sensus Communis zu einer dauerhaften politischen Aufgabe geworden. Es handelt sich im Grunde um das alte politische und pädagogische Projekt, wie es Schiller in seinen Briefen „Über die ästhetischen Erziehung des Menschen“ (1795) und in seiner Rede „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ (1789) skizzierte. Der „ästhetische Staat“ ist das Projekt einer heute möglichen kommunikativen Verständigung unter den Bedingungen der Globalgeschichte. Sinnlichkeit und Sinn, Gefühl und Form können nur in einer dialogischen und spielerischen, d.h. künstlerischen Weise vereint werden.

Diese kommunikativen und kreativen Akte können aber in unserer Epoche nicht mehr auf den literarisch-künstlerischen Bereich begrenzt werden. Sie sind vor allem in der Sphäre der Ökonomie und der Technologie zu realisieren. Die zentrale ökonomische Sphäre Georgiens ist die Landwirtschaft. Erst wenn die georgischen Intellektuellen ihren Snobismus aufgeben und das Dorf als zentrale kulturelle Produktionsstätte wiederentdecken, wird es gelingen, den modernen Zivilisationsprozess auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Es geht nicht um ein naives Neo-Narodnikitum, wenngleich so mancher moderne georgische Intellektuelle das geistig-moralische Niveau eines Wladimir Korolenko oder eines Niko Nikoladse bei weitem nicht erreicht. Es geht weit prosaischer vielmehr darum, die große Schlüsselqualifikation des sechsten Kondratieffzyklus (Leo A. Nefiedow), die Kooperationsfähigkeit, zu pflegen. Auf der Basis der im vorangegangenen Zyklus geschaffenen computergestützten Kommunikationstechnologie kann so die enorme und einzigartige Biodiversität, der wirkliche gegenständliche Reichtum Georgiens, mit der noch vorhandenen Gemeinschaftskultur und den Kenntnissen der Volks- und Klostermedizin verbunden werden. Die Fragen der Kultur und des Menschseins werden im 21. Jahrhundert erneut entscheidende Bedeutung erlangen. Fragen der physischen und seelischen Gesundheit, der Humanontogenetik und des Zusammenlebens werden bereits die nähere Zukunft bestimmen. Anstatt in Georgien eine kulissenhafte Moderne von gestern aufzubauen, wäre es produktiver, sich an die Spitze eines neuen innovatorischen Zyklus zu stellen und damit eine kreative Verbindung von Kulturbewegung und Zivilsationsprozess in Gang zu setzen. Anstatt den Abstraktionen aus der Schule eines Adam Smith oder eines Karl Marx nachzujagen, wäre es vielversprechender, Alexander W. Tschajanows (1888- 1937/38/39) „Lehre von der bäuerlichen Wirtschaft“  zu beherzigen und sie in Verbindung mit den Ideen des genialen Konjunkturforschers Nikolai Kondratieff (1892-1938) auf die georgischen Realitäten zu beziehen. Die Einbeziehung von Friedrich Lists (1789-1846) „Nationalem System der politischen Ökonomie“, indem die kulturellen Besonderheiten der  Völker und Regionen Berücksichtigung fanden und seine Fortführungen bei Edgar Salin (1892-1974) u.a., wäre allemal fruchtbarer als die zurzeit vorherrschende unkritische Apologie des Neoliberalismus. Der Aufbau freiheitlicher Basisgemeinschaften, den der deutsche Kultursoziologe Alfred Weber (1868-1958) nach der deutschen Katastrophe anregte, die Forderung nach Fundamentaldemokratisierung und integraler Lokalentwicklung im Sinne der Entwicklungssoziologie eines Richard F. Behrend (1908-1972) entsprechen wohl weit eher den georgischen Gegebenheiten als die abstrakten Modernisierungkonzeptionen der heute herrschenden Gruppierung. „Gemeinde“ als Forschungsfeld, dem in den deutschen aber auch den US-amerikanischen Sozialwissenschaften einmal eine so große Bedeutung zukam,  scheint in Georgien kaum nennenswerter Anstrengungen für wert befunden zu werden. Hier liegen aber die Aufgaben einer Kulturpolitik, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird und der sich jede wirklich zukünftige Regierung in Georgien annehmen müssten.

Wir brauchen heute eine prospektive Anthropologie im Sinne Gaston Bergers (1896-1960), eine Wissenschaft des Werdens, um die Sehnsüchte des georgischen Volkes, wie sie Nikoloz Barataschwili in seinem Gedicht „Gedanken am Ufer der Kura“ zum Ausdruck brachte, mit einem Ziel zu verbinden. Das „leere Gefäß“ kann sich nur füllen, wenn wir der Wahrheit Raum geben, dass  „Kultur nicht Erkenntnis ist, sondern Liebe“, wie uns Berger im Anschluss an André Malraux mitteilt. Auf diesem Wege wären die Aspirationen zu realisieren, die Bidsina Iwanischwili kurz nach seinem Eintritt in die georgische Politik gesprächshalber erörterte. Wenn diese fälschlich als allzu persönlich kritisierten Gedanken sich mit den tiefsten Bestrebungen derjenigen Menschen verbinden, die gestern auf dem Tawisuplebis Moedani ihrem Wollen Ausdruck verliehen, dann wird die Verbindung von Gemeinsinn und Prospektive in Georgien zustande kommen.

WAHLEN: Georgiens Präsident Saakaschwili - Demokratisch wie Putin. Aus Georgien berichtet Benjamin Bidder. (spiegel.de)

(spiegel.de) Micheil Saakaschwili hat Georgien zwar modernisiert. Weil er aber 2013 als Präsident nicht mehr kandidieren darf, will er nach Kreml-Muster als Premierminister an der Macht bleiben - wie einst sein Erzfeind Wladimir Putin. Der Parlaments-Wahlkampf wird erbittert geführt.

Diese Studenten fordern einen Machtwechsel in Georgien.Damals, als der mächtigste und der reichste Mann des Landes noch Partner waren und nicht Feinde, lud Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili den Milliardär Bidsina Iwanischwili zu einer Spritztour ans Schwarze Meer ein. Der Staatschef wollte dem Oligarchen das Fortschreiten seines Prestige-Projekts demonstrieren. In einer Mercedes-Karosse glitten die beiden Männer, die sich vor der Parlamentswahl am Montag nun erbittert bekämpfen, entlang der Uferpromenade der Schwarzmeerstadt Batumi. Saakaschwili zeigte durch die Fenster auf in die Höhe strebende Baustellen von Casinos, Restaurants und Hotels.

Batumi ist der Ort der größten Erfolge von Saakaschwili, der 2004 mit gerade einmal 36 Jahren zu Europas jüngstem Staatschef gewählt wurde. Kaum im Amt, brach in Batumi auch schon das Regime von Aslan Abaschidse zusammen. 

Provinzfürst Abaschidse hatte eine bemerkenswerte Karriere hinter sich: Vom Ex-Sowjetfunktionär hatte er sich zum Mafia-Paten gemausert. Batumi und die Region Adscharien entzog er der Gewalt der Regierung in Tiflis, nur um sie ungestört ausplündern zu können. Batumi, "die Perle des Schwarzen Meeres", hatte damals eigene Truppen der Staatssicherheit und ein eigenes Staats-TV, aber keine funktionierende Kläranlage.

"Damals gab es in der ganzen Stadt 200 Hotelzimmer, heute sind es 4000", sagt Davit Kikawa, Chef der örtlichen Tourismusbehörde. Der 36-Jährige hat in Heidelberg Politikwissenschaft studiert. Nach der Rosenrevolution aber kehrte er nach Georgien zurück. Saakaschwilis Regierung lockte junge Experten mit Auslandserfahrung. Ein Porträt des Präsidenten, der versprochen hat, Batumi zur "schönsten Stadt der ganzen Schwarzmeer-Region" zu machen, hängt an der Wand von Kikawas Büro.

Seit 2004 sind 1,2 Milliarden Dollar nach Batumi geflossen, darunter Geld aus den USA und der EU. Ausländische Architekten haben die kilometerlange Uferpromenade neu gestaltet, Hotelketten wie Sheraton und Radisson Fünf-Sterne-Häuser eröffnet. An den Tischen von Casinos wie dem "Peace" spielen einträchtig Iraner, Armenier und Aserbaidschaner Poker. An der Küste erhebt sich ein griechisches Restaurant, das aussieht wie eine Kopie der Akropolis, und ein Brunnen, aus dem mehrmals in der Woche statt Wasser Tschatscha sprudeln soll, georgischer Schnaps.

Verloren sich 2003 noch gerade einmal 70.000 Besucher in die Stadt am Schwarzen Meer, waren es im vergangenen Jahr schon 1,3 Millionen. Batumi boomt, dabei ist es noch immer mitten im Bau: der Pier für die großen Kreuzfahrtschiffe etwa, der 2014 fertig sein soll, und der Wolkenkratzer der "American University", höher als jedes Gebäude im Kaukasus.

Das Hemd spannt über dem stattlichen Bauch
 
Deren Eröffnung darf Micheil Saakaschwili als Präsident nicht mehr erleben. Nach zwei Amtszeiten verbietet ihm die Verfassung 2013 eine erneute Kandidatur. Saakaschwili, 2004 mit Vorschusslorbeeren als Vorzeige-Demokrat an die Macht gekommen, steht dann vor seiner schwierigsten Prüfung. Soll Georgien zu einem demokratischen Vorbild für die Region werden, muss er schaffen, woran Herrscher in Moskau, Kiew, Minsk oder im Kaukasus regelmäßig scheitern: Er muss freiwillig von der Macht lassen.

Kutaissi, die zweitgrößte Stadt des Landes, Saakaschwili absolviert hier einen Wahlkampfauftritt. Der Präsident trägt Jeans. Hinter ihm schimmern türkis die Dächer einer restaurierten mittelalterlichen Kathedrale. In den neun Jahren im Amt sind Saakaschwilis Schläfen ergraut, das legere rote Hemd spannt ein wenig über dem inzwischen stattlichen Bauch. Er hat die jungenhafte Ausstrahlung verloren, die ihn einst auszeichnete, aber mit 44 Jahren ist er immer noch jünger als Barack Obama bei dessen erster Wahl 2008.

Saakaschwili spricht in Kutaissi viel über die Einigkeit der Nation, über "mehr Wohltaten für das Volk". Aber er wirkt nicht wie jemand, der bereit ist, im kommenden Jahr sein unvollendetes Lebenswerk in die Hände eines anderen zu übergeben. 

Keiner der Staaten der ehemaligen Sowjetunion hat so gründlich versucht, das sowjetische Erbe abzuschütteln wie Saakaschwilis Georgien. In den Anti-Korruptions-Ranglisten von Transparency International hat das Land einen Satz von 60 Plätzen auf Rang 64 gemacht. Georgien liegt damit fünf Plätze vor Italien, 65 vor dem Nachbarland Armenien - und 124 Plätze vor dem großen Nachbarn Russland. Beim "Ease of Doing Business"-Index der Weltbank hängt der Kaukasus-Staat auf Position 16 sogar Deutschland ab. 

Georgien ist ein Vorbild, weit über seine Grenzen hinaus. Vitali Klitschko, der Boxer, der auch ukrainischer Oppositionspolitiker ist, preist in seinem Wahlkampf die georgischen Reformen. In Moskau macht in Oppositionskreisen ein Buch die Runde, dessen Titel lautet: "Warum es bei Georgien geklappt hat."

Saakaschwilis Reformer-Image hat Kratzer bekommen
 
Doch Saakaschwilis Reformer-Image hat Kratzer bekommen. 2007 ließ er Massenproteste niederknüppeln, Hunderte wurden verletzt. 2008 dann brach er - durchaus vom Gegner provoziert - den Fünf-Tage-Krieg mit Russland vom Zaun. Mitte September dann wurden Fälle von Folter in Saakaschwilis überfüllten Gefängnissen bekannt. In der Hauptstadt Tiflis demonstrieren seither beinahe täglich Tausende.
Wenn das Oppositionsbündnis "Georgischer Traum" des Milliardärs Bidsina Iwanischwili bei den Parlamentswahlen am Montag aus dem Stand auf ein respektables Ergebnis und nach manchen Umfragen sogar auf den Sieg hoffen kann, liegt das in erster Linie an den Fehlern von Saakaschwili.

Der Präsident hat blutjunge Minister in sein Kabinett berufen. Die Wirtschaftsministerin ist 31, der Ressortchef Umwelt 29. Doch wer älter ist als 45 hat kaum Chancen auf einen Job in Georgien.

Saakaschwilis Polizeireform hat zwar die Korruption im Alltag ausgerottet, auf den höheren Ebenen dagegen blüht sie weiter. Nach Angaben von Transparency International gebietet ein Ex-Verteidigungsminister über ein einflussreiches Firmengeflecht und die größten Tankstellenketten. Undurchsichtige Briefkastenfirmen, registriert in Offshore-Zonen, kontrollieren weite Teile der Wirtschaft.

Saakaschwili, der doch sein Land in ein zweites "Singapur oder Dubai" verwandeln wollte, eifert auch einem Lehrmeister mit zweifelhaftem Ruf nach: Russlands starkem Mann Wladimir Putin.

"Nur ein Prozent aller Prozesse endet mit einem Freispruch"
 
So bekamen Geschäftsleute, die Büros an die Opposition vermieten wollten, Besuch von Geheimdienst und Polizei. Auch an georgischen Gerichten herrschen russische Verhältnisse: "Nur ein Prozent aller Prozesse endet mit einem Freispruch", sagt Tamar Tschugoschwili, Chefin der Vereinigung junger Rechtsanwälte. Saakaschwili, sagt der Tifliser Politikprofessor Iago Katschkatschischwili, habe eine "Vertikale der Macht geschaffen ähnlich wie Putin".

Saakaschwili hat zudem alles vorbereitet, um jenes Manöver nachzuvollziehen, mit dem Putin 2008 die Macht in den Händen behielt. Putin durfte damals nach zwei Amtszeiten wie Saakaschwili heute nicht mehr als Staatschef kandidieren. Er wechselte deshalb einfach auf den Posten des Regierungschefs, nur um nach vier Jahren in diesem Mai wieder auf den Kreml-Thron zurückzukehren.

Vor seinem Abschied vom Präsidentenamt hat Saakaschwili Georgiens Verfassung ändern lassen: Ab 2013 gewährt sie Parlament und Premierminister größere Vollmachten und schwächt die Position des Präsidenten.

Als Saakaschwili im Juni US-Außenministerin Hillary Clinton in Batumi empfing fragten ihn Reporter, ob er "kategorisch ausschließen kann, Premierminister zu werden." Der Präsident hob damals zu einer langen Rede über erfolgreiche Projekte wie die Verlegung des Parlaments von Tiflis nach Kutaissi an. Er sprach davon, dass die "georgische Demokratie stärker wird", und davon, dass er "sich nicht freiwillig in eine lahme Ente verwandeln" wolle. Nur auf die Frage der Reporter antwortete er nicht. 

"Er ist eben auf den Geschmack der Macht gekommen", sagt Politologe Katschkatschischwili. "Freiwillig wird er sie nicht abgeben."

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Mehr: spiegel.de


PARLAMENTSWAHL IN GEORGIEN: Saakaschwili, ein Milliardär und der Kampf um die Wahrheit. Von Silvia Stöber (zeit.de)

(zeit.de) Ein Gewaltskandal in Gefängnissen überschattet den georgischen Wahlkampf. Der Präsident spricht von Intrige. Doch die Bürger glauben ihm nicht mehr.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili während einer Wahlveranstaltung in Tiflis
© Vano Shlamov/AFP/GettyImages
Auch wenn der Himmel über Tiflis in hellem Blau strahlt und die Septembersonne mild scheint, ist die Atmosphäre in der georgischen Hauptstadt aufgewühlt wie bei einem gewaltigen Herbststurm. Verunsichert, angespannt, aber auch wütend und ermutigt trifft man die Menschen derzeit in Georgien an.

Denn der Ausgang der Parlamentswahl am Montag ist offen. Erstmals seit der Rosenrevolution 2003 kann die Regierungspartei Vereinigte Nationale Bewegung von Präsident Michail Saakaschwili nicht mit einem sicheren Sieg rechnen. Gestern kamen mehr als 100.000 Menschen zur Abschlusskundgebung seines politischen Gegners, des Multi-Milliardärs Bidsina Iwanischwili. Es war die größte Demonstration seit der Rosenrevolution.

Iwanischwili vereinigt in seinem Bündnis "Georgischer Traum" sechs Oppositionsparteien, darunter sehr verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Zu ihnen zählen westlich orientierte Politiker wie Irakli Alasania, der die Regierung 2008 verließ. Sie wollen eine ausgewogenere Machtbalance im Staat, den derzeit die Regierungspartei dominiert. Zudem wollen Politiker wieder mitbestimmen, die wichtige Positionen unter Saakaschwilis Vorgänger Eduard Schewardnadse innehatten. Viele ältere Menschen in den Städten und die Bauern auf dem Land erhoffen sich soziale Unterstützung vom Staat. Sie hoffen, der Milliardär werde sein Geld weiter zum Wohle Georgiens einsetzen. Dies hatte er in den vergangenen acht Jahren im Verborgenen getan, bis er im Herbst 2011 offen mit der Regierung brach und ihr den Kampf ansagte.

Doch Iwanischwilis plötzliches Auftauchen und seine ersten, ungeschickten Schritte als Neu-Politiker sorgten auch für Skepsis. Sein Vermögen hatte er in den neunziger Jahren in Russland gemacht. So lag es nahe, dass die Regierung den Multi-Milliardär als Handlanger des verfeindeten Nachbarn darstellte. Sie wirft ihm und seinen Getreuen zudem vor, rückwärts gewandt zu sein und Stimmung gegen die religiösen und nationalen Minderheiten im Staat zu machen. Tatsächlich sprach sich Iwanischwilis Kandidat für die Region Adscharien, Murman Dumbadze, zuletzt gegen den Bau von Moscheen aus.

Die Aussichten für Iwanischwilis Bündnis wären nicht so gut, hätte die Regierung nicht selbst für Unzufriedenheit und am Ende für offene Wut gesorgt. Viele fanden es überzogen, Iwanischwili den georgischen Pass zu entziehen und mit enorm hohen Geldstrafen zu belegen. Zahlreiche Berichte belegen, dass Staatsbedienstete mit Sympathien für die Opposition unter Druck gesetzt und entlassen wurden.

Der gärende Unmut bahnte sich einen Weg in die Öffentlichkeit, als die oppositionellen Fernsehsender TV9 und Maestro vor fast zwei Wochen Videos über Misshandlungen von Gefängnisinsassen zeigten. Zwar reagierte die Regierung schnell. Sie gestand ein grundlegendes Gewaltproblem in den Haftanstalten ein und setzte den Ombudsmann Giorgi Tugushi als Gefängnisminister ein. Er hatte die Probleme seit Langem thematisiert, war aber nicht gehört worden.

Doch zugleich setzte eine regelrechte Schlacht mit kompromittierenden Videos auf beiden Seiten ein. Saakaschwili warf der Opposition vor, sie habe Wärter geschmiert, damit sie Gewaltvideos anfertigten. Weitere Filme und Audioaufnahmen sollen belegen, dass auch Polizisten und Offiziere bestochen werden sollten. Auch würde die Regierung der Opposition gerne nachweisen, dass sie mit den berüchtigten "Dieben im Gesetz" paktiert, und gemeinsam mit dem kriminellen Netzwerk aus Sowjetzeiten die Destabilisierung des Landes plant.

Andere Videos zeigen wiederum Regierungsmitglieder mit einst einflussreichen Persönlichkeiten, wie sie ihre Machtbereiche abstecken. Über all dem gerieten die eigentlichen Wahlthemen in Vergessenheit. Gleichsam redet niemand über den Modernisierungsfortschritt, den das Land seit 2004 zu verzeichnen hat.

Die Stimmung schlug stattdessen in den vergangenen Tagen um. Immer offener zeigten die Menschen bei täglichen Demonstrationen Unmut. Zumeist schlossen sie sich den Protesten der Studentenbewegung "Laboratorium 1918" an, die sich ausdrücklich als unabhängig bezeichnet und sozialdemokratische Ideen vertritt.

Khatia Nadaraia, eine der Organisatorinnen, sagt: "Es gibt in Georgien große soziale Ungerechtigkeit, die wollen wir bekämpfen." Mit ihrem Mitstreiter Tornike Chumburidze stimmt sie darin überein, dass Gewalt ein Teil des Regierungssystems sei. "Es ist der politische Wille unserer Regierung, nicht nur Gewalt gegen Häftlinge einzusetzen, sondern auch Kritiker unter Druck zu setzen."

Als Beispiel führen sie an, dass regierungskritische Studenten geschlagen wurden von Kommilitonen, die der Regierungspartei nahe stehen. Unabhängig davon, ob bei der Wahl Saakaschwilis Partei oder Iwanischwilis Bündnis gewinnt, wollen sie weiter für soziale Gerechtigkeit und gegen repressiven Druck der Staatsführung protestieren.

Von Saakaschwili erwarten sie nichts Gutes mehr. Sie sind sich aber auch nicht sicher, ob Iwanischwili es besser machen wird.

WAHLEN: Saakaschwili - Präsident auf Abruf. Parlamentswahl in Georgien. Von Silvia Stöber (tagesschau.de)

(tagesschau.de) Am Montag wird in Georgien ein neues Parlament gewählt. Georgiens Präsident Saakaschwili steht mit dem Rücken zur Wand: Die Opposition befindet sich im Aufwind. Und im westlichen Ausland hat er seine Reputation schon lange verloren. Fraglich bleibt, ob Saakaschwili die Macht freiwillig abgibt.

Von Silvia Stöber, zur Zeit Tiflis, tagesschau.de

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili  (Foto: picture alliance / dpa) (Klick führt weiter zum nächsten Bild)
Georgiens Präsident Saakaschwili gilt als international isoliert. (Foto: picture alliance / dpa)
Nachts um Eins in Tiflis. Die georgische Hauptstadt ist zur Ruhe gekommen. Gestern Nachmittag hatte sie die größte Demonstration seit der Rosenrevolution erlebt. Es schien, als hätte die Farbe Blau des Oppositionsbündnisses "Georgischer Traum" von Milliardär Bidsina Iwanischwili die Oberhand gewonnen: Nicht nur mit den Fahnen, T-Shirts und Halstüchern der Demonstranten, auch die blauen Wahlplakate, Aufkleber und Graffities dominierten an den Hauswänden der Stadt.
Nun aber, im Schutze der Dunkelheit, fahren Regierungsgetreue durch die Straßen und überkleben alles Blaue mit roten Aufklebern ihrer Partei Vereinigte Nationale Bewegung von Präsident Michail Saakaschwili. Sie hinterlassen Hunderte weiße Papierstreifen auf den Gehwegen.

Der Kampf zwischen dem einstigen Rosenrevolutionär Saakaschwili und seinem Herausforderer Iwanischwili hatte von Anfang an wenig mit Sachthemen, viel aber mit Symbolen und Stereotypen zu tun: Der rückwärtsgewandte Oligarch Iwanischwili, Handlanger des feindlich gesinnten Russland und Verbündete der georgischen Mafia, wolle die Demokratisierungserfolge Saakaschwilis zunichte machen. Diese Parole verbreitete die Regierung seit dem Erscheinen des Multi-Milliardärs auf der politischen im Bühne im vergangenen Herbst.

"Basis der Regierungspolitik ist PR"

Doch fällt es der Regierung nicht mehr so leicht, ihre Linie durchzuziehen. Saakaschwilis Rückhalt schwindet, sowohl zuhause als auch im Ausland. Nach der Machtübernahme hatte er es geschickt verstanden, sich im eigenen Land und im Westen zu verkaufen.

"Die Politik der Regierung basiert auf PR", kritisiert Khatia Nadaraia von der Studentenbewegung "Laboratorium 1918" und nennt ein Beispiel: Eigentlich proklamiere die Regierung eine neoliberale Politik, vor der Wahl aber verteile sie 1000-Lari-Gutscheine (500 Euro) an die Familien im Land. Nachdem Konkurrent Iwanischwili ein Sozialprogramm vorgelegt hatte, kündigte auch sie soziale Maßnahmen an, die einer sozialdemokratischen Regierung zur Ehre gereichen würden.

Elitenkorruption und enorme soziale Probleme

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Demokratisierung Georgiens seit 2004 eher als Konsolidierung und Modernisierung der staatlichen Strukturen zu bezeichnen ist. Die Folge war eine Bündelung der Macht an der Staatsspitze. Letztlich hat auch die zu Recht gefeierte Ausmerzung der Korruption unter Polizisten und Staatsbeamten dazu beigetragen.

Doch bleiben Elitenkorruption und enorme soziale Probleme, die die Statistiken von Weltbank, IWF und anderen Organisationen aber verdecken. Sieht man zum Beispiel die vielen Taxifahrer mit ihren heruntergekommen Autos, die Kleinhändlerinnen mit ihren Billigwaren oder die Bauern mit ihren winzigen Ernten, so wirkt eine Arbeitslosenzahl von 16 Prozent wenig nachvollziehbar.

Um sich als Erfolgsmodell im post-sowjetischen Raum zu präsentieren, engagierte die Regierung in den vergangenen Jahren zahlreiche PR-Firmen in Washington, Paris, Brüssel oder London.

Herausforderer Iwanischwili - verlängerter Arm des Kremls?

 Große Unterstützung erhielt die Saakaschwilli-Regierung bei jenen Ländern und Parteien, die in Russland noch immer eine Gefahr wie die Sowjetunion im Kalten Krieg sehen - vor allem rechtskonservative Kräfte in den USA und Westeuropa, daneben Schweden, Polen oder die baltischen Staaten. Dort kam jetzt auch die Behauptung sehr gut an, der Milliardär Iwanischwili, der sein Vermögen in Russland gemacht hat, handele im Interesse des Kreml.

Zu jenen, die diese Behauptung in Westeuropa verbreiteten, gehört der georgische Parlamentarier Giorgi Kandelaki. Als Beleg führt er an, dass sich Iwanischwili nie deutlich gegen Präsident Wladimir Putin ausgesprochen hat. Außerdem habe dieser seinen Besitz und seine Anteile in Russland zu überaus guten Preisen an Kreml-nahe Unternehmen verkauft, und er sei immer noch im Besitz eines Aktienpaketes des staatlichen russischen Konzerns Gazprom.

Iwanischwili weist dies als pure Propaganda zurück. Nicht ganz eindeutig äußert er sich allerdings darüber, ob er Gazprom-Aktien besitzt.

Moskau hat wenig Interesse an Machtwechsel

In Moskau selbst hört man Zweifel über Iwanischwilis Rolle: Russland habe derzeit angesichts anderer außen- und innenpolitischer Probleme kein Interesse an einer Einflussnahme auf die Innenpolitik Georgiens, sagt zum Beispiel der Sicherheitsexperte Ruslan Puchow.

Mit den Militärbasen in den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien übe Russland die militärische Kontrolle über den Südkaukasus aus. Mehr sei derzeit nicht gewollt. Zudem werde Saakaschwili ohnehin ganz im Stile Putins dafür sorgen, dass er die Wahl gewinnen werde. Mit Iwanischwili brauche man sich da nicht erst beschäftigen.

Georgien ist im Westen isoliert

Es kann sogar gut sein, dass der Kreml Saakaschwili an der georgischen Staatsspitze bevorzugt gegenüber einem rationaler und besonnener auftretenden Politiker wie Iwanischwili, der sich für Annäherung ausspricht. Saakaschwili hat spätestens seit dem Fünf-Tage-Krieg mit Russland 2008 seine Reputation im Westen eingebüßt.

Ganz sicher provoziert von Russland, aber auch entgegen eindringlicher Mahnungen aus dem Westen, ließ er seine Truppen gegen Südossetien marschieren. Seitdem ist er kaum noch zu Gast bei westeuropäischen Regierungen. US-Präsident Barak Obama ließ sich erst nach intensiven Lobbybemühungen auf ein kurzes Gespräch mit ihm ein.

Beobachter sprechen von klaren Signalen aus dem Westen, dass man von Saakaschwili nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit im nächsten Jahr eine Machtübergabe erwartet.

Freiwillige Aufgabe der Macht ist fraglich

Auch unter den Georgiern und sogar den einstigen Anhängern ist Saakaschwili ganz offenbar nicht mehr beliebt. Ein Hinweis darauf ist, dass zu seinen Wahlkampfveranstaltungen nur wenige Anhänger erscheinen und viele von ihnen behaupten, zu den Veranstaltungen beordert worden zu sein.

Hochrangige Regierungsmitglieder erwarten nicht, dass Saakaschwili wie Putin in Russland den Premierminister-Posten übernehmen wird. Dieser sei für Vano Merabischwili vorgesehen, sagen sie. Der als Manager respektierte und als langjähriger Innenminister gefürchtete Merabischwili übernahm kürzlich das Amt des Regierungschefs. Das Problem der Regierungspartei ist jedoch, dass Saakaschwili immer die treibende Kraft war und den kleinen Kreis der Machtelite zusammenhielt.

Fraglich ist, ob Saakaschwili freiwillig die Führung abgeben wird und welche Entscheidungen er in den nächsten Tagen treffen wird, da er praktisch mit dem Rücken zur Wand steht. 

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Kandidaten werben noch einmal um Stimmen tagesthemen 21:50 Uhr, 29.09.2012 [Udo Lielischkies, ARD Moskau]
Download der Videodatei
Georgien: Zehntausende demonstrieren für Iwanischwili (29.09.2012)
Georgiens Innenminister reicht Rücktritt ein (20.09.2012 ) 
Schmutziger Wahlkampf um die Macht in Georgien (09.08.2012) 
Letzte Wählermobilisierung vor der Wahl [Udo Lielischkies, ARD Moskau]
 


ELECTION: Democracy in the Former Soviet Republics (nytimes.com)

(nytimes.com) No leader of the former Soviet republics has been more pro-Western than President Mikheil Saakashvili of Georgia. He moves easily in Washington and dreams of bringing his country into full NATO membership. But his government’s handling of prisons and its approach to parliamentary elections set for Monday are raising doubts about his commitment to democracy and reform. 
The Sunday Review

Critics both inside Georgia and internationally have increasingly faulted Mr. Saakashvili for persecuting opponents, pressuring the courts and stifling the news media. In June, the National Democratic Institute reported on a growing political polarization and a rise in hate speech in the country. 

Since then, the Organization for Security and Cooperation in Europe has expressed concern that the judiciary is not independent enough to guarantee fair elections. Amnesty International and Transparency International Georgia have cited numerous cases in which opposition activists were beaten, intimidated or detained for supporting Mr. Saakashvili’s political rival, the billionaire Bidzina Ivanishvili, and his “Georgian Dream” coalition. The government slapped Mr. Ivanishvili with what many considered excessive fines for campaign spending violations.

Then a week and a half ago, protests erupted after two pro-opposition television channels — including one owned by Mr. Ivanishvili — showed film of inmates in the capital’s main prison being tortured and raped. Two ministers resigned and 10 prison officials, including the chief, were arrested. The government said the film was recorded by guards who were bribed, but the violence was reprehensible and appeared to violate the United Nations Convention Against Torture. 

Only a full, transparent investigation will make good on Mr. Saakashvili’s promise to punish those responsible and reform the system. 

Georgia is less than nine years past its Rose Revolution. This election is another critical building block in a fragile democratic order. On Monday, the country will elect a new Parliament; because of legislative changes, the prime minister’s job will become more powerful than the presidency once Mr. Saakashvili’s term ends next year. There is speculation that he will try to stay in power beyond that by seeking the prime minister’s office. 

Mr. Saakashvili and his supporters suspect that Mr. Ivanishvili is a stalking horse for Russia, where the billionaire made his fortune and against whom Georgia fought a brief, disastrous war in 2008. Whatever the case, Mr. Saakashvili jeopardizes his legacy and his ability to lead Georgia into NATO if he fails to keep the country moving forward toward democracy and human rights. 

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FOTOGRAFIE: Impression - Offroad in Tuschetien. Von Hans Heiner Buhr (kaukasus-reisen.de)




Hans Heiner Buhr - Reiseleiter von Kaukasus-Reisen schickte mir eben via IPhone diese atemberaubende Landschaftsansicht aus Tuschetien ...

Saturday, September 29, 2012

PODCAST: Crucial Parliamentary Elections Near In Georgia. By Corey Flintoff (npr.org)


(npr.org) Parliamentary elections take place in Georgia on Monday. The country's president, a reformer and darling of the U.S. government, is accused of corruption and increasingly repressive tactics. He's being opposed by a multi-billionaire who made most of his money in Russia.

NPRCopyright © 2012 National Public Radio. For personal, noncommercial use only. See Terms of Use. For other uses, prior permission required.

ROBERT SIEGEL, HOST:

On Monday, the Republic of Georgia holds a crucial parliamentary election. It will decide whether the government of President Mikheil Saakashvili will keep its hold on power. It's been nine years since the pro-democracy movement known as the Rose Revolution. Saakashvili was once a favorite of U.S. lawmakers, who saw him as one of a new breed of reformers in the countries of the former Soviet Union. Since then, though, his government has been accused of repressive tactics and corruption.

NPR's Corey Flintoff reports the opposition is led by a billionaire businessman who's also a political newcomer.

COREY FLINTOFF, BYLINE: The opposition coalition is called Georgian Dream, a disparate collection of groups ranging from pro-Western reformers to hard-line nationalists. It's held together by a 56-year-old billionaire named Bidzina Ivanishvili, who has built a campaign machine advised by American political consulting firms.

BIDZINA IVANISHVILI: (Foreign language spoken)

CROWD: (Foreign language spoken)

IVANISHVILI: (Foreign language spoken)

CROWD: (Foreign language spoken)

IVANISHVILI: (Foreign language spoken)

FLINTOFF: At this recent rally in the east Georgian town of Telavi, a crowd of thousands fills a main square and stretches far down the street. Ivanishvili addresses the throng from a stage decked in the blue and white colors of his coalition.

IVANISHVILI: (Foreign language spoken)

FLINTOFF: He rails against what he calls this false and violent government.

(APPLAUSE)

FLINTOFF: The speeches end with a rap song performed by Ivanishvili's son, Bera.

The government, as it's characterized by Ivanishvili, is a far cry from what Americans thought they saw emerging from the Rose Revolution of 2003. Then, the young politicians led by Mikheil Saakashvili were welcomed by the West as reformers who wanted to bring Georgia into NATO and the European Union. Opponents paint a much darker picture of the government.

David Tarkhan-Mouravi is a sociologist who heads a group that calls itself the Resistance Movement.

DAVID TARKHAM-MOURAVI: (Foreign language spoken)

FLINTOFF: He says that Georgia today is a country where visitors might see a lot of new buildings and the appearance of prosperity, but it's an illusion built on repression and extortion. Tarkhan-Mouravi says that for one of the world's smaller countries, Georgia has one of the highest per capita rates of incarceration. He says that many of those prisoners are in jail on trumped-up charges, as part of extortion schemes that allow government officials to seize their property.

The prison issue erupted into street protests last week when TV channels, affiliated with Ivanishvili, broadcast video showing prison guards beating and sexually abusing prison inmates. Some see the scandal as a tipping point that could turn a predicted ruling party victory into a loss.

Part of the ruling party's campaign strategy has been to focus on Ivanishvili's fortune, estimated at more than $6.8 billion, and the fact that he earned much of it in Russia.

This is Shota Utiashvili, the spokesman for the prime minister's office.

SHOTA UTIASHVILI: We have a guy who's against the government, whose personal wealth equals half the country's GDP, and that's something, I think, unprecedented.

FLINTOFF: The ruling party suggests that Ivanishvili is out to buy his way into power, with the notion that he can run the country like one of his businesses. Recent polling shows that Georgians' three main priorities are jobs, healthcare, and the return of separatist regions that were lost after Georgia's disastrous war with Russia in 2008. Both sides have promised to address those issues, but both are vague on details.

Given the latest round of scandal and accusations, it seems more likely that the last days of Georgia's election campaign will be focused more on personalities than issues.

Thomas de Waal, an expert on the region at the Carnegie Endowment, says the best thing the United States and other friends of Georgia can do right now is to urge that the vote itself be carried out fairly and with due process.

THOMAS DE WAAL: The hope is that some kind of more or less fair result will come out in which everyone feels that they've got some representation in the new Georgia. It will be very messy, but ultimately these people have got to live together. It's a small country, after all.

FLINTOFF: A small but deeply polarized country, enough so that the messy part of the process could go on for a long time after the election.

Corey Flintoff, NPR News.

ARTICLE: Test of Will?: NKR announces opening of airport as Armenia-Azerbaijan tensions remain high. By John Hughes


(armenianow.com) Officials in Nagorno-Karabakh are now saying that the self-declared republic’s airport – which has already been a flashpoint of regional tension and controversy – will open “next week”.

Test of Will?: NKR announces opening of airport as Armenia-Azerbaijan tensions remain high  


The announcement has dominated Armenian media since Wednesday, when the head of civil aviation in the internationally-unrecognized NKR Government stated that flights will begin, and that the airport just outside capital Stepanakert will serve 100 passengers per hour with flights on “Artsakh Air”.

The airport was first predicted to open nearly two years ago, drawing immediate anger from Azerbaijan officials, who said any flights in “occupied” airspace would be viewed as provocation, and subject to being shot down. For more than a year, opening of the airport has been delayed “for technical reasons”.

Armenian President Serzh Sargsyan – a native Karabakhi – responded to threats in March 2011, by saying that he would be the first passenger to fly out of the airport, underscoring his confidence in safe operation from the troubled territory which has been under cease fire since 1994.


As recently as July of this year, Baku restated its right to shoot down aircraft over Karabakh, which covers some 7,000 square kilometers of land viewed by Azeris as still belonging to them.


When the OSCE Minsk Group stated in July that opening the airport would be seen as a means of strengthening the potential for peace between Armenia and Azerbaijan, the director of Azerbaijan’s State Civil Aviation Administration Arif Mammadov reiterated the earlier statements on downing planes.


“This is the right of the Azerbaijani side, according to the law on aviation. Whether this right will be implemented or not, it is for the government to decide,” Mammadov said.


The apparent decision to now begin operating commercial flights out of Karabakh comes as tensions between Armenia and Azerbaijan have piqued since last month. Hungary extradited an Azeri army officer, Ramil Safarov, who had brutally killed an Armenian officer in Budapest. Azeri President Ilham Aliyev immediately pardoned the killer, promoted him from lieutenant to major, paid him a salary equivalent to the 8 years he had been in jail in Hungary, and gave him an apartment.


The action drew international condemnation against Azerbaijan, and was widely viewed by political analysts as proof that the warring nations – Armenia is Christian, Azerbaijan is Muslim – are too far apart in any meaningful way for reconciliation to be expected.


Since the “Safarov Affair”, a peace settlement seems more distant than at any time in the protracted conflict. It is likely that international attention and concern will focus on the tiny airport should there, indeed, be planes flying “soon” as announced by head of the NKR Civil Aviation Dmitry Adbashyan.

BLOG: Azerbaijan “Investigates” The New York Times for Karabakh Story. By Giorgi Lomsadze (eurasianet.org)

(eurasianet.org) Azerbaijan recently became a no-fly zone for moon-walking American astronaut Charles Duke and Swiss astronaut Claude Nicollier after they had the indiscretion to set foot in separatist Nagorno Karabakh without permission from Baku. 

Last week, The New York Times' travel section offered a tip to other explorers about how to visit Karabakh and still be able to hop over to Azerbaijani-controlled territory later -- namely, just  “ask for the visa to be put on a separate piece of paper that can be removed from your passport.”

The trick is hardly a secret. And one that prudent visitors quickly learn, with or without a how-to in the American "newspaper of record." 

But the Azerbaijani government, its temper taut from jousting with Karabakh's protector, Armenia, over President Ilham Aliyev's pardon of axe-murderer Ramil Safarov, charged that sharing this advice was illegal and has tasked its US embassy to investigate the case

It is unclear what means are at Baku’s disposal to punish The New York Times should the government decide that its "investigation" so warrants it.
This time, the well-tested domestic method of arresting troublesome journalists will not work.

ARTICLE: Off the Map in the Black Garden. By Russ Juskalian (travel.nytimes.com)

(travel.nytimes.com) STANDING on a limestone ridge in the foothills of the Lesser Caucasus Mountains, I surveyed the landscape that lay before me. To the west, illuminated by a late-day sun and with ever more craggy peaks as a backdrop, was Vankasar Mountain, capped by a solitary, ancient church. To the east, yellow grassland and scrub stretched to the horizon. And then there was the ghost city of Agdam, its thousands of ruined buildings representing the last exchanges of a late 20th-century conflict that many people have never heard of.

The road from Kalbajar to Armenia over the Sotk Pass. Russ Juskalian for The New York Times
I had come to the breakaway Southern Caucasus region of Nagorno-Karabakh expecting a land of extremes. Nagorno-Karabakh, an ethnically Armenian enclave whose name means “mountainous black garden,” appears on few maps. Its tumultuous recent history would affect any traveler, no doubt, but for me, the experience of visiting this place had a personal dimension. My grandmother had fled Anatolia as a girl, escaping an Armenian genocide at the hands of the crumbling Ottoman Empire. To come to Nagorno-Karabakh, a place where Armenians have asserted their right to live freely — but at the cost of having forcibly removed their Azeri neighbors — generated mixed emotions, to say the least.

Once part of an ancient Armenian kingdom, Nagorno-Karabakh was made a special autonomous oblast, or administrative zone, under the authority of the Azerbaijan Soviet Socialist Republic, by Stalin in the 1920s. This designation temporarily calmed fighting between the predominately Muslim Azeris and mostly Christian Armenians who lived in the region. But as the Soviet Union disintegrated in the late 1980s, old ethnic feuds turned bloody, and both ethnicities were subjected to pogroms and persecution at the hands of the other. Armenians, representing around 75 percent of the Nagorno-Karabakh population at the time, sought independence from Azerbaijan. Skirmishes led to full-on war by the early 1990s, resulting in upward of 30,000 casualties and hundreds of thousands of displaced people on both sides.

In 1994, the Armenians of Nagorno-Karabakh effectively won that war and claimed independence with the signing of a cease-fire order. In the process, nearly the entire Azeri population was forced to flee. Today, the self-proclaimed Nagorno-Karabakh Republic (N.K.R.) is not recognized by any other country in the world. With no official borders, Armenian and Azeri soldiers are still dug into trenches on the front lines.

Though I had become interested in the region because of my ethnic heritage, once I started digging into the history of Nagorno-Karabakh, I wanted to experience what was said to be a breathtaking landscape filled with ancient monasteries, mountainous tableaus and hard-working people trying to rebuild.

So last spring I went there, accompanied by my girlfriend. I didn’t expect luxury hotels, haute cuisine or air-conditioned buses, and I didn’t find them. Instead, we stayed at local homes where running water might not be guaranteed, ate simple meals with our hosts and traveled in Soviet-era knockoffs of Fiats and antiquated minibuses with bald tires. In exchange for the lack of amenities, I was hoping not just to understand more about this little-known area, but also to understand more about my own background.

EARLY on a humid May morning, we headed to a dusty square in Yerevan, the capital of Armenia, where we boarded a crowded minibus, called a marshrutka, bound for Nagorno-Karabakh’s capital, Stepanakert — a trip that would take eight hours. Aside from two Asian tourists, the bus was filled with local women carrying toddlers, and old men, a few of whom played cards on an upturned cardboard box. The final part of the route twisted almost 10 miles through the Lachin Corridor, a mountain pass that had previously been (or still is, depending on whom you ask) a part of Azerbaijan.

By the time we got to Stepanakert, it was raining. We headed to the Foreign Ministry to pick up our travel papers, checked into a simple hotel and fell asleep. Early the next morning, the sun still burning off the night’s fog, we explored the covered market in central Stepanakert. The air was filled with the scent of ripe cherries and local herbs. In one corner, two women with faded aprons and orange-tinted hair worked over a griddle. The first rolled balls of dough into discs. To each disc, the second added a small mountain of chopped herbs and then folded the dough over the filling. The grilled stuffed bread, called jingalov hats, tasted of pungent mustard greens and watercress.

A 20-minute drive away, in the town of Shoushi, we met Saro Saryan, who, with his wife, runs a homestay, which would become our base. Dressed in a blue Ministry of Civil Defense uniform and cap, Mr. Saryan greeted us in his booming voice. “Russ? Come,” he said.

Mr. Saryan walked with us around town, first showing us the old fortress walls, and then the Tolkienesque Ghazanchetsots Cathedral, built of white limestone. As we approached a massive stone building that stood gutted, Mr. Saryan said, “This used to be a university. My hope is that one day you can come back and see students here.” Past bombings had transformed the broad hallways. In one room, the ceiling had been replaced by sky, the floor was covered in kudzu-like shrubs, and tufts of wildflowers clung to empty niches.

Shoushi clearly has seen hardship upon hardship. One of the only Azeri-majority strongholds in the 1980s, then called Shusha, it was the staging site for rocket attacks on Stepanakert, which was mainly populated by Armenians. Much of the town, including the university, was damaged first by Armenian bombardment, and then by the Azeris after the Armenians took control in 1992. The capture of the town by the Armenians was a turning point in the war.

That evening, for 5,000 dram each (around $12), we slept in a room around the corner from the Saryans’ kitchen. On most days we sat down with the Saryan family to a dinner of lavash bread, fresh cheese, honey and grilled meat or stuffed grape leaves.

Over the next few days we hired a taxi, so we could see more of the region’s Armenian ruins. There was the white-stone Amaras monastery, swathed in knee-high grasses and the occasional wild poppy plant; the 13th-century Gandzasar monastery, whose walls and floor, some believe, contain the head of John the Baptist, the jaw of Gregory the Illuminator and the right hand of St. Zachariah; and Dadivank, where immense Armenian steles known as khachkars, some over 1,000 years old, stood in repose.

At one point, while traveling on the Stepanakert-Martakert Highway in a battered taxi, I saw the ruins of stone buildings. “Agdam?” I asked the driver.

“Agdam,” he answered, quietly. “No photo.” Agdam had been an Azeri village that the Armenians had razed during the war. Some 40,000 people fled, and many were killed. As hundreds of abandoned homes, many reduced to foundations, came into view, the driver stepped hard on the gas.

While the Nagorno-Karabakh war was one of independence — fought within the context of a century-old genocide against the Armenians by the Turks, the fall of the Soviet Union and anti-Armenian pogroms — it was difficult for me, with my background, not to feel dismay that the same persecution the Armenians had suffered was perpetrated upon their Azeri neighbors. What about the former Azeri girls and boys, now refugees about my age, whose memory of home is fading like a photograph left too long in the sun? Most, I learned, have settled in other parts of Azerbaijan. And while I may never be able to see Azerbaijan because of my ethnicity, they may never get to see the place where they were born.

When I mentioned this to Mr. Saryan — an Armenian who fled Baku, the capital of Azerbaijan, around the time of the anti-Armenian Sumgait pogrom in 1988 — he said he still had nostalgia for Baku, where he had spent most of his life. “I was part of a group of refugees who met our Azeri counterparts in Vienna,” he said. “I was just in touch with one of them on Facebook yesterday.”

WE had only two days to travel via the northern road from Kalbajar province back to Armenia — amid snow-capped peaks and over the infamous Sotk Pass and its open-pit gold mine. Joined by an Austrian named Barbara who had also been staying at Mr. Saryan’s, we charted the route with a stop at a thermal spring. As we approached the Zuar spring, Barbara gasped. The natural pool was belching soap bubbles from the soap someone had dumped in. Dozens of middle-aged men splashed about. Immediately the center of attention, we had no choice but to join them. After a quick splash, we were invited for a warm beer and a shot of throat-scorching mulberry vodka.

We continued to the town of Kalbajar, ascending a 6,500-foot plateau via a series of steep switchbacks. Like Agdam, this place was mainly non-Armenian before the war; it is now controlled by the Nagorno-Karabakh Republic.

Kalbajar, too, looked like a ghost town — except that some of the homes were occupied by ethnic Armenians, many from the Armenian diaspora, coming from Georgia, Russia and elsewhere. With almost no tourism infrastructure, a doctor arranged a place for us in a hospital outbuilding where we slept on two wobbly metal beds.

In the morning, we headed back toward Armenia with two young men we had hired to drive us in a 72-horsepower Soviet-built Lada Niva. We traveled for hours, over mountains, into valleys and back up again. Finally we came to the Sotk Pass atop a rocky hill of debris dumped over the edge of the mountain by huge mining trucks. The road went from dirt to fist-size stones. Crossing this geo-industrial outpost was like passing through a portal. The earth itself seemed to be in upheaval, with whorls of dust spinning into the air by heavily laden trucks.

And then it was over. We headed back down the other side, back into Armenia without so much as a sign to mark the border.

But my mind was still running in circles around Nagorno-Karabakh. I was thinking mainly about the war, and about Mr. Saryan’s son, who, the day after graduating from high school, had led us to a gorge near Shoushi. I asked him if he could imagine having an Azeri friend. And, as if the question itself had puzzled him, he said, “Why not?”

IF YOU GO

Visiting Nagorno-Karabakh is not for the faint of heart. Every year soldiers on both sides of the front lines are killed by sniper fire. Outside Stepanakert, accommodation is mainly limited to homestays.

Visas can be arranged in advance in Yerevan, Armenia, or upon arrival in Stepanakert at the foreign ministry. If you plan to visit Azerbaijan in the future, ask for the visa to be put on a separate piece of paper that can be removed from your passport. Azerbaijan will not allow entry to anyone with a Nagorno-Karabakh Republic visa in their passport.

HOW TO GET THERE

Hyur Service (contact@hyurservice.com; 374-10-54-60-40; www.hyurservice.com/eng). With a few locations in Yerevan, Hyur can arrange rental cars, private transportation or all-inclusive trips to Nagorno-Karabakh. Prices vary. The staff speaks English.

Public minibuses leave various bus stations around Yerevan, heading to Stepanakert every morning for around 4,500 Armenian dram, or $11.30 at 400 drams to the dollar. Travel takes eight hours.

WHERE TO STAY

Saro Saryan Homestay (saro.saryan@gmail.com), in Shoushi. Mr. Saryan and his wife are regular features on the independent travel scene in Nagorno-Karabakh, and speak very good English. For 5,000 dram per person per night, you can stay at their home. Mr. Saryan has an almost encyclopedic knowledge of Shoushi, and if he has time he may offer a walking tour of the town and its ruins. He can also help arrange onward travel and accommodation throughout Nagorno-Karabakh.

Hotel Armenia (www.armeniahotel.am; (374 47) 94-94-00; info@armeniahotel.am, Renaissance Square), in Stepanakert, has 55 rooms furnished to international standards, and prices include Wi-Fi, breakfast and use of a gym. Double rooms range from 30,000 to 41,000 drams per night.

VIDEO: Election Day Coverage in Georgia - newscafé.ge (youtube.com)



On October 1, 2012 students of the GIPA - Caucasus School of Journalism and Media Management will cover the parliamentary election in all possible ways. Check out how we are preparing for this event.