Monday, November 26, 2012

PODCAST: Zwischen Shoppingmalls und historischer Substanz. Denkmalschützer in Tiflis schlagen Alarm. Von Tatjana Montik (dradio.de)


(dradio.de) In Georgiens Hauptstadt Tiflis stehen viele marode Altbauten, die restauriert werden sollen. Denkmalschützer kritisieren jedoch, dass die Stadtverwaltung mehr Interesse an den Wünschen der Investoren zeigt, als an den kulturhistorischen Bauten.

"Es gibt bereits zwanzig Fälle in Tiflis, bei denen die denkmalgeschützten Häuser aus der entsprechenden Liste gelöscht wurden. Danach wurden diese Gebäude einfach abgetragen. Man kann diese Gebäude in der Denkmalschutzliste auf der Homepage der Stadtverwaltung zwar noch abrufen, aber in der Wirklichkeit existieren sie nicht mehr. "

Blick auf die georgische Hauptstadt Tiflis (Bild: AP)
Der Gudiaschwili Platz in Alt-Tiflis ist eine Augenweide. Doch seine einst bunten alten Häuser mit den kunstvoll geschnitzten Holzbalkonen benötigen dringend eine Restaurierung. Etwa das sogenannte Lermontow-Haus, das früher ein Offiziershotel gewesen ist, wo der berühmte russische Dichter im Jahre 1837 genächtigt haben soll. Dies ist eines der zwei Bürgerhäuser von Tiflis, das nach der Zerstörung der Stadt durch den persischen Khan Ende des 18. Jahrhunderts erhalten geblieben war.

Vor anderthalb Jahren hat eine private Firma eine Häuserzeile am Gudiaschwili-Platz gekauft. Am Projekt beteiligt seien georgische und ausländische Investoren sowie ein Architektenbüro aus Österreich, so heißt es. Nun soll der Platz rekonstruiert werden. Die Bauarbeiten sind seit einer Woche in Gang. Die alten Holzbalkone und das Dach des Lermontow-Hauses sind bereits weg. Das anliegende, ebenfalls historische Gebäude wurde zur Hälfte zerstört. Und niemand habe bisher erfahren können, wie genau das Bauprojekt aussieht, sagt Aleko Elisaschwili von der Denkmalschutzgruppe "Tiflis Hamqari", die "Fürsorger von Tiflis":

"Was hier passiert, ist reine Barbarei! Die Investoren mögen ihr Geld verdienen, doch nicht auf Kosten unseres historischen Kulturerbes! Das hier ist der einzige authentisch erhaltene Platz in ganz Tiflis. Man muss diesen Platz originalgetreu restaurieren und nicht zuerst alles zerstören und danach nach alt wieder aufbauen. Wir brauchen hier keine pseudo-alten Neubauten. Falls unsere Stimmen nicht gehört werden, werden wir die Bautätigkeit auf aggressive Weise stoppen. "

Am Gudiaschwili-Platz seien acht Gebäude denkmalgeschützt, sagt Aleko Elisaschwili. Doch die Stadtverwaltung, in deren Kompetenz der Denkmalschutz von Tiflis liegt, interessiere das nicht. Die Stadtväter richteten sich in erster Linie nach den Wünschen der Investoren: Wenn das Geld fließt, werde so einiges übersehen beziehungsweise angepasst:

"Es gibt bereits zwanzig Fälle in Tiflis, bei denen die denkmalgeschützten Häuser aus der entsprechenden Liste gelöscht wurden. Danach wurden diese Gebäude einfach abgetragen. Man kann diese Gebäude in der Denkmalschutzliste auf der Homepage der Stadtverwaltung zwar noch abrufen, aber in der Wirklichkeit existieren sie nicht mehr. "

In der Regierungszeit von Michail Saakaschwili wurde in Georgien viel gebaut und restauriert. Das Ziel war es, möglichst viele Touristen ins Land zu holen. Als Aushängeschild solcher Rekonstruktionsprojekte gilt die malerische Stadt Sighnaghi in Kachetien, östlich von Tiflis, die binnen kurzer Zeit touristentauglich gemacht wurde. Beim genauen Hinschauen aber wird klar, dass die Restaurierungsarbeiten nur potemkinsche Dörfer ergaben: Hinter den Fassaden und an der Infrastruktur wurde nur wenig gemacht. Ähnlich sei man auch in der alten Stadt Kutaisi in Westgeorgien vorgegangen, im Schwarzmeerhafen Batumi, in Mestia im swanetischen Großkaukasus und in der alten Hauptstadt Mzcheta.

Außerdem ist eines nicht zu übersehen: In der georgischen Architektur regiert der Geschmack der oberen Machteliten, sprich: pfiffige modernistische Bauten, die oft von ausländischen Architekten entwickelt und zwischen die historischen Häuser zusammenhanglos hineingepflanzt wurden. Die geschwungene Glasbrücke und das futuristische Gebäude der neuen Public Service Hall im historischen Stadtkern sind nur einige Beispiele. Oder zwei stählerne Röhren, die eine neue Konzerthalle darstellen sollen, gleich unterhalb des Präsidentenpalastes, der an das Reichstagsgebäude von Sir Norman Forster erinnert.

Nick Schawischwili, Architekturprofessor an der Technischen Universität von Tiflis, übt Kritik an der undemokratischen Entscheidungspraxis in den Denkmalschutzfragen:

"Wenn das Interesse der Öffentlichkeit gegenüber den Denkmalschutzfragen so groß ist, wird normalerweise eine Öffentlichkeitsbefragung gemacht. Im Falle des Gudiaschwili-Platzes wurde die Meinung der Öffentlichkeit schlichtweg ignoriert. Ich hoffe, es ist nicht zu spät, die Öffentlichkeit in die Fragen rund um den Gudiaschwili-Platz hineinzubeziehen. Ich hoffe, die neue Regierung wird bald eine politische Entscheidung über die Revision dieses Bauprojektes treffen."

Indessen verlangt die Denkmalschutzgruppe "Tiflis Hamqari", für alle Bauprojekte in den historischen Stadtteilen von Tiflis und an anderen historischen Stätten ein Moratorium einzuführen.

In der Denkmalschutzabteilung im georgischen Kulturministerium hofft man nun, der politische Wechsel würde auch in Denkmalschutzfragen eine Trendwende bringen, sagt die Vizeabteilungsleiterin Maka Schawischwili:

"Wir haben seit Kurzem eine neue Vize-Kulturministerin für Denkmalschutz, die Wert darauf legt, dass jene aggressiven Bauprojekte gestoppt werden, die unsere Baudenkmäler zerstören."

No comments: